Vom Jetsetter zum Todgeweihten
Der tiefe Fall von Saif al-Islam al-Gaddafi

Er war der designierte Nachfolger seines Vaters und die Hoffnung des Westens. Jetzt wurde Saif al-Islam al-Gaddafi von einem libyschen Gericht zum Tode verurteilt. Wer ist der schillernde Diktatoren-Sohn?
Publiziert: 30.07.2015 um 17:16 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:06 Uhr
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Saif al-Islam al-Gaddafi wurde im Mai 2014 vor einem Gericht in Tripolis per Video zugeschaltet.
Foto: KEYSTONE/EPA/SABRI ELMHEDWI
Von Georg Nopper

Im Frühjahr 2009 war der zweitälteste Sohn des damaligen libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi (†69) ans Weltwirtschaftsforum (Wef) in Davos eingeladen – und dies nicht zum ersten Mal. Saif al-Islam al-Gaddafi (43) nahm dort im Kongresszentrum an einer Diskussion zum Thema Nahost teil.

In Davos kam es auch zu einem Treffen zwischen der damaligen Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Micheline Calmy-Rey, und dem Diktatoren-Sohn. Thema des Gesprächs: Die angespannten diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Libyen, nachdem die Genfer Polizei Gaddafi-Sohn Hannibal und dessen Ehefrau vorübergehend festgenommen hatte.

Teilnahme am Wiener Opernball

Saif war ein regelrechter Jetsetter. Unter anderem nahm er 2010 am Wiener Opernball teil. Zudem betätigte er sich als Künstler. Seine Werke stellte er 2002 in einer Galerie in London aus.

Saif al-Islam, was übersetzt «Schwert des Islam» bedeutet, galt als Reformer. Im Westen setzte man grosse Hoffnungen auf ihn. Er setzte sich ein für die Annäherung seines Landes an Europa und die USA. In Libyen galt er – obwohl er kein offizielles Amt innehatte – als designierter Nachfolger seines Vater. Saif kennt den Westen: Er studierte unter anderem in Österreich und Grossbritannien.

«Flüsse voller Blut»

Doch dann kam es Anfang 2011 in der ostlibyschen Stadt Benghasi zu regierungsfeindlichen Unruhen. Der Diktatoren-Sohn drohte den Aufständischen mit «Flüssen voller Blut». Saifs Rolle beim Vorgehen der Regierung gegen die Demonstranten hatte zur Folge, dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen ihn ausstellte.

Als die von Nato-Luftschlägen unterstützten Rebellen die Hauptstadt Tripolis einnahmen, floh Saif. Am 20. Oktober 2011 nahmen die Aufständischen seinen Vater gefangen, misshandelten und töteten ihn.

Einen Monat später wurde Saif in Südlibyen aufgegriffen und ins Gefängnis von Sintan gesteckt. Jetzt hat ihn ein Gericht in Tripolis in Abwesenheit wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt.

Vollstreckung des Todesurteils ungewiss

Ob das Urteil jemals vollstreckt wird, ist allerdings unklar. Saif hat einerseits die Chance, noch Berufung einzulegen. Andererseits befindet sich der Sohn des Ex-Diktators immer noch in Sintan und damit im Einflussgebiet der vom Westen unterstützen Regierung, die eine Überstellung in die Hauptstadt verweigert. In Tripolis herrscht eine international nicht anerkannte islamistische Regierung.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat sich bisher vergeblich um eine Auslieferung bemüht, obwohl Saif selbst ausdrücklich darum bat – wohl aus Angst vor der Todesstrafe in Libyen, die ihn in Den Haag nicht erwartet.

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