Matteo Salvini, Marine Le Pen, Jörg Meuthen: Sie alle haben Grund zu jubeln. Europas Rechte haben laut ersten Hochrechnungen bei der Europawahl, die gestern zu Ende ging, von Rom über Paris bis nach Berlin deutliche Siege eingefahren.
Die rechtspopulistische deutsche AfD schickt künftig wohl zehn statt nur einen Abgeordneten nach Brüssel. In Frankreich schockte Le Pens «Nationale Sammlungsbewegung» mit einem Sieg über Präsident Macrons liberale Partei.
Die Europawahl ist nach Indien die zweitgrösste Wahl der Welt, 380 Millionen stimmberechtigte EU-Bürger in 28 Mitgliedsländern waren seit Mittwoch aufgerufen, insgesamt 751 Abgeordnete fürs EU-Parlament zu wählen. Dabei gingen erstmals seit langem wieder mehr Menschen an die Urne.
Flüchtlinge und Klima bestimmen die Wahlentscheidung
Die Stimmbeteiligung lag laut ersten Schätzungen über 50 Prozent – das erste Mal seit mehr als 20 Jahren. Doch von der hohen Wahlbeteiligung profitieren offenbar vor allem Rechtsaussen-Parteien. Zusammen könnten sie gar die zweitstärkste Kraft im EU-Parlament werden. Kein Wunder: Noch immer ist die Flüchtlingskrise das Thema, das die Europäer am stärksten bewegt.
Doch auch ein anderes Trendthema hat Einfluss: der Klimawandel. Europäer sorgen sich zunehmend, dass die Erde überhitzt. Das wirkt sich auf die Wahlentscheidung aus: Europaweit lässt sich ein «Greta-Effekt» beobachten. Die grüne Welle schwappte über Österreich genauso wie über Finnland.
In Deutschland verdoppelten die Grünen ihr Wahlergebnis von der letzten EU-Wahl 2014 gar: von 10,7 Prozent auf mehr als 20. Weil die AfD zwar zulegte, aber unter ihrem Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 blieb, sind die Grünen in Deutschland die einzige echte Siegerpartei.
Die SPD steht vor einem Trümmerhaufen
Die grüne Welle geht zulasten der Volksparteien. Sie verlieren in den meisten Ländern, selbst gemeinsam werden Christ- und Sozialdemokraten im Europa-Parlament keine Mehrheit mehr haben. Besonders drastisch zeigt sich das bei der SPD in Deutschland, an der die Grünen als zweitstärkste Kraft locker vorbeizogen.
Da nützte es auch nichts, dass Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz im Wahlkampf kräftig mithalf. Die Partei steht mit dem Absturz auf rund 15 Prozent vor einem Trümmerhaufen – und Parteichefin Andrea Nahles vor der Frage, wie lang sie sich noch halten kann.
Jubel auch bei den Kleinparteien
Freuen über die Verluste der Volksparteien dürfen sich nicht nur die Grünen, sondern auch die Kleinparteien. Mehr als 40 Sitze gehen an fraktionslose Abgeordnete – in Deutschland könnten allein zwei bis drei Sitze an die Satirepartei Die Partei entfallen, in Spanien darf der im Exil lebende Separatist Carles Puigdemont ins EU-Parlament einziehen.
Keine klaren Mehrheiten und zersplittert – das offenbar ist das neue EU-Parlament. Die Königsmacher-Position könnte deshalb künftig den Liberalen zukommen. Zwar konnte Macron in Frankreich keinen Sieg einfahren, doch die liberale Fraktion im EU-Parlament überflügelt auch die Grünen noch deutlich – und dürfte insgesamt um die 140 Sitze bekommen.
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