Frankreich streikt! Die massiven landesweiten Demonstrationen gegen die geplante Rentenreform haben am Donnerstag das Land komplett lahmgelegt. In der Hauptstadt Paris fuhren am Donnerstag fast keine Metros, die meisten Linien wurden nicht bedient, Bahnhöfe waren geschlossen.
Die Proteste blieben nicht überall gewaltfrei. In der Hauptstadt Paris gingen Flammen auf, einzelne Vermummte schlugen Scheiben ein. Medien berichten von einer angespannten Stimmung, die Polizei rückte mit einem Grossaufgebot aus.
Zahlreiche Gewerkschaften hatten im Konflikt um die geplante Rentenreform zu den branchenübergreifenden Streiks aufgerufen. Auch im öffentlichen Dienst, in Krankenhäusern oder der Justiz waren Streiks geplant.
Rentenreform soll System vereinfachen
Mit der Rentenreform will die Mitte-Regierung die Zersplitterung in 42 Einzelsysteme für bestimmte Berufsgruppen beenden. Sonderregeln, die von anderen oft als Privilegien gewertet werden, gibt es zum Beispiel für Eisenbahner oder Mitarbeiter der Energiewirtschaft. So können Bahnfahrer in Paris theoretisch mit Anfang bis Mitte 50 in Rente gehen; das normale Renteneintrittsalter liegt bei 62 Jahren. Künftig soll ein Punktesystem die Höhe der Rente mitbestimmen. Ausserdem soll es Anreize geben, länger zu arbeiten.
In der Hauptstadt Paris sammelten sich am Mittag zahlreiche Demonstranten zu einem grossen Protest. Die Behörden befürchteten, dass sich Randalierer unter die Demonstranten mischen könnten und es wieder zu Ausschreitungen kommt. Allein in Paris waren 6000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Auch in anderen Städten des Landes versammelten sich die Menschen - etwa in Nantes oder Marseille.
Die französische Staatsbahn hatte angekündigt, dass nur rund einer von zehn Schnellzügen TGV am Donnerstag fahren werde. An grossen Pariser Bahnhöfen herrschte am Morgen gähnende Leere. Nach Angaben der SNCF haben knapp 86 Prozent der Fahrer und 73 der Schaffner die Arbeit niedergelegt. Auch im Luftverkehr kam es zu Behinderungen. Die Pariser Verkehrsbetriebe RATP wollen ihren Ausstand bis mindestens Montag verlängern, wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die Gewerkschaften berichtete.
Züge in die Schweiz fielen aus
Der grosse Streik hat auch Auswirkungen auf Reisende aus der Schweiz. Die SBB rieten von Reisen nach Frankreich von Donnerstag bis Sonntag ab. Es verkehrten nur einzelne Züge, namentlich die Schnellverbindungen der TGV zwischen der Schweiz und Frankreich wurden annulliert.
Auch im Flugverkehr gab es Probleme. Die französische Fluggesellschaft Air France beispielsweise strich 30 Prozent der Inlandflüge. 25 Flüge ab dem Flughafen Genf-Cointrin und 26, die dort landen sollten, wurden annulliert. Auch in Zürich wurden Flüge nach Paris gestrichen.
Der Massenprotest trifft auch Paris-Touristen: Im Eiffelturm gibt es nicht ausreichend Personal, um die Touristenattraktion an der Seine zu öffnen, wie die Betreibergesellschaft Sete mitteilte. Der 130 Jahre alte Turm wird jährlich von rund sieben Millionen Menschen besucht. Pariser Museen wie der Louvre hatten bereits vor den Streiks vor Einschränkungen für Besucher gewarnt. Das Impressionisten-Museum Musée d'Orsay bestätigte via Twitter, es bleibe geschlossen.
Nach den «Gelbwesten»-Protesten ist die Rentenreform die nächste grosse Herausforderung für Präsident Emmanuel Macron und ein durchaus heikles Vorhaben. In Frankreich fürchten nun viele einen Streik wie zuletzt 1995. Damals wurde wochenlang gegen die Renten- und Sozialversicherungsreform des damaligen Premierministers Alain Juppé protestiert. Auch der aktuelle Streik könnte sich hinziehen.