Vitali Klitschko (48) reagiert im BLICK-Interview auf Trumps Ukraine-Affäre
«Wir sind von den Amerikanern abhängig»

Seine Faust ist legendär. Nun will sich der ehemalige Box-Weltmeister Vitali Klitschko in seinem Land auch politisch noch mehr durchsetzen. Er hat auch eine Idee, wie der Krieg beendet werden könnte. BLICK traf den Champion in St. Gallen zum Interview.
Publiziert: 24.09.2019 um 23:06 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2022 um 12:31 Uhr
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Will nie mehr einen Menschen schlagen: Vitali Klitschko an einem Symposium in St. Gallen.
Foto: Thomas Meier
Interview Guido Felder

Früher hat er sich mit Fäusten gewehrt, seit fünf Jahren kämpft Vitali Klitschko (48) in der ukrainischen Hauptstadt Kiew nun als Bürgermeister für eine bessere Zukunft seines Landes. Der Box-Weltmeister referierte am Dienstag an einem Anlass der Universität St. Gallen. BLICK traf ihn zum Interview und sprach mit ihm über Donald Trumps Ukraine-Affäre, den vergessenen Krieg und seine Pläne.

BLICK: Sie waren Profi-Boxer, heute sind Sie Bürgermeister von Kiew. Welches ist der leichtere Job?
Vitali Klitschko:
Es ist viel einfacher, Box-Weltmeister zu sein. Beim Boxen kämpft man nach Regeln gegen einen Gegner, die ukrainische Politik hingegen ist ein Wettkampf ohne Regeln. Es gibt so viele Herausforderungen und so viele Gegner.

Hat Ihnen Ihre Box-Erfahrung als Bürgermeister geholfen?
Boxen und Politisieren haben das gleiche Prinzip: Wenn man der Beste sein will, braucht man gute Leute um sich herum. Man muss ein Ziel haben und Charakterstärke zeigen. Es hat sehr viele Parallelen.

Der neue Präsident Wolodimir Selenski will Sie aus dem Amt kippen. Warum?
Es ist ganz einfach: Es geht um Macht. Aber der Kampf um Macht ist ein sehr grosser Fehler von Selenski. Im Land müssen wir die Macht dezentralisieren und nicht, wie es Selenski will, zentralisieren. Wir müssen andere Länder davon überzeugen, eine demokratische Ukraine gegen die aggressive Politik Russlands zu unterstützen.

Wird Selenski Erfolg haben im Kampf gegen Sie?
Nein, ich kämpfe weiter und bin davon überzeugt, dass solche Aktionen dem demokratischen Fundament schaden.

Zurzeit sorgt ein Telefonat von US-Präsident Donald Trump mit Selenski für Schlagzeilen. Trump soll ihn aufgefordert haben, kompromittierendes Material über den Sohn des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden zusammenzutragen.
Es ist keine leichte Aufgabe für unseren Präsidenten. Wir sind einerseits abhängig von amerikanischer Unterstützung, auf der anderen Seite dürfen wir uns nicht in die inneren Angelegenheiten der USA einmischen. Selenski befindet sich auf dünnem Eis. Ich hoffe, dass er diese Prüfung besteht.

Haben Sie selber auch Kontakt mit Trump?
Wir kennen uns aus meiner Zeit als Boxer. Seit er Präsident ist, habe ich ihn noch nie getroffen.

Wäre das Präsidentenamt auch für Sie eine Option?
Meine Aufgabe ist, Kiew zu einer modernen, starken und dynamischen Hauptstadt zu entwickeln. Ich habe schon viel gemacht, aber es gibt noch sehr viel zu tun. Ich schliesse nicht aus, nach einer bestimmten Zeit, wenn meine Arbeit in der Hauptstadt erfolgreich war, mich für die gleichen Ziele im ganzen Land einzusetzen.

Vor fünf Jahren ist in der Ukraine ein Krieg ausgebrochen, aber kaum jemand redet in Westeuropa noch davon. Wie ist die aktuelle Lage?
Noch immer sterben praktisch jeden Tag Soldaten an der Front. Der Konflikt wäre beendet, wenn es nicht nach wie vor Propaganda, Waffenlieferungen und finanzielle Unterstützung aus Russland gäbe.

Wie könnte man diesen Konflikt lösen?
Der Schlüssel zur Beendigung und Rückholung der Krim ist unser wirtschaftlicher Erfolg. In Kiew funktioniert das schon. Wenn wir diesen Standard aufs ganze Land übertragen können, werden sich die Leute in den Randregionen Kiew und dem Westen zuwenden. Unser Ziel ist, den Lebensstandard Westeuropas zu erreichen.

Was kann die Schweiz zum Erfolg Ihres Landes beitragen?
Schweizer können sehr gerne bei uns investieren, ich werde als persönlicher Bodyguard um den geregelten Ablauf der Geschäfte besorgt sein. Schweizer sind auch herzlich eingeladen, bei uns Ferien zu machen. Das Land und die Hauptstadt sind sehr schön und bieten ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis.

Dr. Eisenfaust der Politik

Vitali Klitschko (48) galt mit seinem Bruder Wladimir (43) als einer der stärksten Boxer im Schwergewicht. Unter dem Kampfnamen «Dr. Eisenfaust» holte er in 47 Kämpfen 45 Siege und wurde mehrere Male Weltmeister. 2000 promovierte er mit der Note «Ausgezeichnet» in Sportwissenschaften. 2014 wurde er Bürgermeister von Kiew. Seit 1996 ist er mit Natalia (45) verheiratet. Die beiden haben drei Kinder.

Vitali Klitschko (48) galt mit seinem Bruder Wladimir (43) als einer der stärksten Boxer im Schwergewicht. Unter dem Kampfnamen «Dr. Eisenfaust» holte er in 47 Kämpfen 45 Siege und wurde mehrere Male Weltmeister. 2000 promovierte er mit der Note «Ausgezeichnet» in Sportwissenschaften. 2014 wurde er Bürgermeister von Kiew. Seit 1996 ist er mit Natalia (45) verheiratet. Die beiden haben drei Kinder.

Der vergessene Krieg

Im Ukrainekonflikt kämpft die ukrainische Armee gegen Separatisten der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Der Konflikt eskalierte ab April 2014, nachdem in der Ukraine die russlandtreue Regierung unter Wiktor Janukowitsch (69) durch die Maidan-Revolution vertrieben worden war. Auf sie folgte eine proeuropäische Übergangsregierung. Anfang 2014 begann ein von Russland gelenkter Aufstand auf der Halbinsel Krim und im Donbass, dem Osten der Ukraine, wo eine Mehrheit russisch spricht. Die Krim wurde von Russland annektiert. Im September 2014 vermittelte die OSZE einen ersten Waffenstillstand. Er wurde bis heute nie eingehalten. Der Konflikt hat bisher über 12’000 Tote gefordert. Erst vor wenigen Wochen gab es einen Lichtblick, als Russland und die Ukraine Dutzende Gefangene austauschten.

Im Ukrainekonflikt kämpft die ukrainische Armee gegen Separatisten der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk. Der Konflikt eskalierte ab April 2014, nachdem in der Ukraine die russlandtreue Regierung unter Wiktor Janukowitsch (69) durch die Maidan-Revolution vertrieben worden war. Auf sie folgte eine proeuropäische Übergangsregierung. Anfang 2014 begann ein von Russland gelenkter Aufstand auf der Halbinsel Krim und im Donbass, dem Osten der Ukraine, wo eine Mehrheit russisch spricht. Die Krim wurde von Russland annektiert. Im September 2014 vermittelte die OSZE einen ersten Waffenstillstand. Er wurde bis heute nie eingehalten. Der Konflikt hat bisher über 12’000 Tote gefordert. Erst vor wenigen Wochen gab es einen Lichtblick, als Russland und die Ukraine Dutzende Gefangene austauschten.

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