Raketenhagel in Israel: Militante Palästinenser im Gazastreifen haben seit Samstagmorgen einen Grossangriff auf Israel gestartet. Dabei wurden hunderte Menschen getötet, zahlreiche weitere wurden verletzt.
Doch weshalb kommt es genau jetzt zur Eskalation? Und was ist eigentlich passiert? Blick beantwortet dir die wichtigsten Fragen zu den aktuellen Geschehnissen.
Was ist genau passiert?
Im Gazastreifen haben seit Samstagmorgen militante Palästinenser Hunderte Raketen auf Israel abgefeuert. Die palästinensische Organisation Hamas, die von EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestuft wird, sprach gar von 5000 Raketen. In zahlreichen Städten herrschte Sirenenalarm, auch Jerusalem war betroffen.
Beim Grossangriff kamen hunderte Menschen ums Leben. Unzählige weitere Personen wurden verletzt. Wie viele Personen genau den Angriffen zum Opfer fielen, ist völlig unklar. Ständig werden neue Tote und Verletzte gemeldet.
Zudem sind zahlreiche bewaffnete Kämpfer aus dem Gazastreifen nach Israel eingedrungen, wie das israelische Militär angibt. Es sprach von Terroristen und forderte sämtliche Einwohner dazu auf, ihre Häuser nicht zu verlassen. Mehrere Personen wurden entführt, darunter auch ausländische Staatsbürger, wie beispielsweise Deutsche.
Die israelische Armee rief als Gegenmassnahme den Kriegszustand aus und kündigte an, die Armee zu mobilisieren. Auf Bildern ist zu sehen, wie zahlreiche Soldaten in die Unruhegebiete verlegt werden. Das israelische Sicherheitskabinett erklärte am Sonntagmittag den Kriegszustand.
Wo kommt es überall zu Kämpfen?
Die Lage in Israel gestaltet sich zur Stunde äusserst unübersichtlich. Aus zahlreichen Städten und Regionen werden Gefechte gemeldet. Besonders schwer betroffen war in der Nacht auf Sonntag der Ort Kfar Aza. Dort lieferten sich die israelische Armee und die Hamas die ganze Nacht hindurch Gefechte. «Hunderte Terroristen» seien erschossen und dutzende weitere gefangen genommen worden, sagte ein Militärsprecher. Dieser kündigte auch die Evakuierung aller Israelis aus Gebieten nahe des Gazastreifens an. «Unsere Mission in den nächsten 24 Stunden ist es, alle Einwohner rund um Gaza zu evakuieren» – ein Zeichen, dass neue Gefechte zu erwarten sind.
Auch aus dem Libanon wurden Raketen abgefeuert. Die Hisbollah hat eine Erklärung veröffentlicht, in der sie die Verantwortung für den Angriff auf Israel aus libanesischem Gebiet übernimmt. Das berichtet Al-Jazeera am Sonntagmorgen. «Die Radaranlagen, Zibdin und Ruwaisat Al-Alam wurden mit einer grossen Anzahl von Artilleriegranaten und Lenkraketen bombardiert. Wir haben drei israelische Besatzungsanlagen im besetzten libanesischen Gebiet der Shebaa-Farmen angegriffen», heisst es.
Der Schusswechsel an der libanesischen Grenze lässt befürchten, dass sich die Kämpfe im Süden zu einer «zweiten Front» ausweiten könnten, so die «Times of Israel» in ihrer Bewertung der eskalierenden Situation in Israel.
Weshalb ist es genau jetzt zum Angriff gekommen?
Die Spannungen zwischen der Hamas und den Israelis haben sich in den vergangenen Wochen extrem zugespitzt, eine Eskalation zeichnete sich ab. Die israelische Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu (73) hat in den vergangenen Wochen den Siedlungsausbau in den Palästinensergebieten massiv vorangetrieben. Dabei kam es mehrfach zu gewaltsamen Protesten, bei denen Sprengsätze auf Soldaten geworfen und mehrere Palästinenser durch Schüsse verletzt wurden.
Trotzdem sei der Angriff überraschend gekommen. Laut dem US-Journalisten Trey Yingst von Fox News haben die Israelis keine Anzeichen dafür gesehen, dass so etwas passieren wird. Der israelische Geheimdienst und auch das Militär wirkten laut Beobachtern völlig überrascht.
Was ist die Vorgeschichte und worum geht es bei diesem Siedlungsbau?
Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem im sogenannten Sechstagekrieg erobert. Seither betrachtet Israel die Gebiete als annektiert – entgegen der Ansicht der Vereinten Nationen. Die Palästinenser hingegen beanspruchen diese Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.
Schon seit dem Ende des Sechstagekriegs baut Israel Siedlungen in den besetzten Gebieten, um die Schaffung eines palästinensischen Staates zu verhindern. Einige dieser Siedlungen umfassen wenige Hundert Einwohner, andere wurden zu ganzen Städten ausgebaut. Die grösste Siedlung Modi'in Illit hat rund 65'000 Einwohner, ist mit Spitälern und Universitäten ausgestattet.
Aus Sicht der Vereinten Nationen ist der Bau dieser Siedlungen zwar illegal, dennoch trieb Israel den Ausbau in den vergangenen Monaten massiv voran und drängt die palästinensische Bevölkerung zurück. Mittlerweile gibt es rund 130 Siedlungen mit über 400'000 Einwohnern im Westjordanland, weitere 200'000 Israelis leben im annektierten Ostjerusalem. Deshalb gibt es immer wieder blutige Konflikte – und nun die Eskalation.
Was sagen die beteiligten Parteien?
Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas erklärte am Morgen den Beginn einer Militäroperation gegen Israel namens «Al-Aksa-Flut». Wie der Militärchef Mohammed Deif (58) in einer Botschaft verkündete, habe man beschlossen, den israelischen «Verbrechen» ein Ende zu setzen.
Kurz daraufhin hat die israelische Armee den Kriegszustand erklärt. Das israelische Militär erklärte, «eine Anzahl von Terroristen» sei aus dem Gazastreifen nach Israel eingedrungen. Es handle sich um einen «kombinierten Angriff» der Hamas aus Raketenbeschuss und «terroristischen Infiltrationen», gab die Armee weiter an. Premier Netanyahu sagte am späten Vormittag, man befinde sich «nun im Krieg». Auch das Sicherheitskabinett erklärte am Sonntag den Kriegszustand.