Mit grosser Spannung wird der Ausgang der Parlamentswahl in Österreich an diesem Sonntag erwartet. Rund eine Million Wähler sind nämlich nach Einschätzung von Wahlforschen bis zuletzt unentschlossen.
«Da gibt es Potenzial für Last-Minute-Bewegungen», erklärte der Experte des Meinungsforschungsinstituts Sora, Christoph Hofinger, im ORF. Insgesamt sind 6,4 Millionen Bürger der Alpenrepublik stimmberechtigt. Es kandidieren 16 Parteien, zehn davon landesweit.
Über Monate führte in den Umfragen der Spitzenkandidat der konservativen ÖVP, der erst 31-jährige Sebastian Kurz. Die sozialdemokratische SPÖ unter Kanzler Christian Kern scheint aber trotz vieler Wahlkampfpannen zuletzt den Abstand verringert zu haben. Die rechte FPÖ kann ohnehin mit grossem Zuspruch rechnen.
Sollte es wider Erwarten zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den drei Parteien kommen, gilt eine Regierungsbildung als besonders schwierig.
Die kleinen Parteien kämpfen
Alle Parteien hatten zum Wahlkampfschluss noch einmal versucht, ihre Anhänger zu mobilisieren. Das gilt nicht zuletzt auch für die Grünen, die liberalen Neos und die Liste des Grünen-Abtrünnigen Peter Pilz. Diese drei Parteien müssen nach Umfragen um den Einzug ins Parlament bangen. Die Hürde dafür liegt in Österreich bei vier Prozent.
Die Schwäche der kleinen Parteien ist auch der Grund, warum zum Beispiel eine «Dirndl-Koalition» aus ÖVP, Grünen und Neos (Parteifarben türkis, grün und pink) rechnerisch als höchst unwahrscheinlich gilt.
Überraschungen werden erwartet
Hofinger erwartet einen «nervenzerfetzenden Wahltag sicher nicht ohne Überraschungen.» Dabei ist bei einem engen Rennen fraglich, ob am Wahlabend klar wird, wer gewonnen hat. Der Grund ist die hohe Zahl von voraussichtlich um die 750'000 Briefwählern. Deren Stimmen werden erst am Montag, teilweise sogar erst am Donnerstag ausgezählt.
Bis zur Klarheit über exakte Prozentzahlen und die genaue Mandatsverteilung im Parlament könne es vier Tage dauern, meinte der Wahlforscher. Sollte eine der kleinen Parteien an der Vier-Prozent-Hürde scheitern, hat das Auswirkung auf die Zahl der Sitze für die im Nationalrat vertretenen Parteien.
Wahlforscher gehen davon aus, dass die Wahlbeteiligung höher sein wird als 2013 mit damals 74,9 Prozent. Das liegt auch an dem äusserst erbittert geführten Wahlkampf. Zwischen SPÖ und ÖVP war es in den letzten beiden Wochen vor der Wahl geradezu zu einer Schlammschlacht gekommen. Die meisten Politik-Experten gehen davon aus, dass sich die beiden Volksparteien damit geschadet haben. Nutzniesser dürfte die FPÖ sein.
Wahlen früher als vorgesehen
Eines der Hauptthemen des Wahlkampfs war die Migrationskrise mit ihren Folgen. Vor allem FPÖ und ÖVP machen sich stark dafür, die Zuwendungen für Flüchtlinge zu kürzen oder gar auf Sachleistungen zu beschränken. Sollte es nach der Wahl zu einer ÖVP-FPÖ-Koalition kommen, würde das die Stimmen in Europa stärken, die eine reformierte EU mit weniger Einfluss auf die Nationalstaaten wollen. Österreich würde voraussichtlich näher an die Visegrad-Staaten Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei heranrücken. In der zweiten Jahreshälfte 2018 übernimmt Österreich den EU-Ratsvorsitz.
Die Wahl findet ein Jahr früher als vorgesehen statt. Die tief zerstrittene rot-schwarze Koalition war im Mai zerbrochen. Den Vorsitzenden von SPÖ und ÖVP, Kern und Kurz, wird ein eisiges Verhältnis zueinander nachgesagt. Eine Wiederauflage dieses Bündnisses mit diesen Parteichefs gilt als ausgeschlossen. (SDA)