Verteilkampf um Flüchtlinge
Deutsche drängen Osteuropa zur Solidarität

Deutschland leidet an der unfairen Verteilung von Flüchtlingen. Politiker fordern mehr Unterstützung von anderen EU-Staaten und den USA. Notfalls per Mehrheitsentscheid.
Publiziert: 18.09.2015 um 19:30 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2018 um 02:15 Uhr
Will der ungerechten Verteilung der Flüchtlinge ein Ende machen.
Foto: KEYSTONE/EPA DPA/PAUL ZINKEN

Gerade eben hiess Deutschland Flüchtlinge noch herzlich willkommen. Inzwischen hat die Bundesregierung Grenzkontrollen wieder eingeführt. Deutschland könne nicht jeden aufnehmen, sagte Vizekanzler Sigmar Gabriel (SDP) zur «Bild»-Zeitung. Es sei dringend nötig, dass Europa die Flüchtlinge fair verteile.

Eine solche Flüchtlingsquote könne man auch gegen den Willen der Blockierer aus Osteuropa durchsetzen, warnte Aussenminister Frank-Walter Steinmeier. «Wenn es nicht anders geht, sollten wir ernsthaft erwägen, auch das Instrument der Mehrheitsentscheidung anzuwenden», sagt der SPD-­Politiker der «Passauer Presse». Statt den Konsens aller Mitgliedstaaten zu ­suchen, würden dann eben einzelne überstimmt. 

Am kommenden Mittwoch treffen sich die Staats- und Regierungschefs zu ­einem Sondergipfel, um über die Flüchtlingskrise und auch den umstrittenen Verteilschlüssel zu beraten. Vor allem Ungarn, Tschechien, die Slowakei uns Polen stellen sich bislang gegen verbindliche Regeln.

«Kroatien und Serbien schauen sehr stark auf Deutschland und Österreich»

Eine verbindliche, nachvollziehbare und dauerhafte Regelung sei dringend nötig, sagt David Florian Bieber, Professor für Südeuropäische Geschichte und Politik an der Uni Graz. Die «Schritt-­vor-Schritt-zurück-Politik» von Bundeskanzlerin Angela Merkel habe eine negative Signalwirkung: «Länder wie Kroatien und Serbien schauen sehr stark auf Deutschland und Östereich.»

Dass Kroatien noch vor zwei Tagen die Flüchtlinge willkommen hiess und nun sieben seiner acht Grenzübergänge zu Serbien geschlossen hat, sei ein Abbild der widersprüchlichen Politik Deutschlands, das Schwanken zwischen Willkommenskultur und Überforderung. «Das Signal der Öffnung war gut», sagt Bieber weiter: «Aber dann muss es auch durchgezogen und nicht plötzlich wieder – emotional und reflexartig – eingeschränkt werden.»

Die Unsicherheit müsse dringend beendet und eine klare Strategie mit verbindlichen Regeln vereinbart werden. Die Zahl der zu erwartenden Flüchtlinge sei schliesslich weder eine ­Überraschung noch ein ­Geheimnis. (ant)

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