Das Wichtigste im Überblick
- Die deutsche Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP wird sich auflösen. Das verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz (66).
- Neuwahlen sollen am 23. Februar 2025 stattfinden
- Die FDP-Minister Christian Lindner (45), Marco Buschmann (47) und Bettina Stark-Watzinger (56) wurden entlassen.
- Verkehrsminister Volker Wissing tritt aus der FDP aus und behält sein Amt bis zu den Neuwahlen.
K-Frage: SPD-Spitze macht es weiter spannend
Die SPD-Führung will die Debatte um die Kanzlerkandidatur rasch beenden. «Es wird jetzt eine zügige Entscheidung geben», sagte Parteichef Lars Klingbeil (46) am Mittwoch der «Bild». Einen konkreten Termin nannte Klingbeil nicht. Er sagte lediglich: «Wir werden in den nächsten Tagen sehr viel miteinander reden – und dann gibt es eine Entscheidung.» Klingbeil bekräftigte seine Unterstützung für eine neuerliche Kandidatur von Kanzler Olaf Scholz (66).
Habeck ist Kanzlerkandidat der Grünen
Jetzt ist es offiziell: Robert Habeck führt die Grünen in den Bundestagswahlkampf. Ein entsprechender Antrag erhielt beim Bundesparteitag in Wiesbaden 96,48 Prozent der Delegierten-Stimmen. «Wir nehmen die Wahl an!», rief Habeck, der im Duo mit Aussenministerin Annalena Baerbock kämpft.
Im Antrag wird Habeck als «Kandidat für die Menschen in Deutschland» bezeichnet, der «das Zeug zu einem guten Bundeskanzler» habe. Führende Grüne bezeichnen Habeck als Kanzlerkandidaten. Habeck selbst sagt zu dem Thema, er wolle «eine ehrliche Ansprache». Gegen Habeck stimmten 20 Delegierte (2,6 Prozent). Sieben Delegierte (0,91 Prozent) enthielten sich bei der Abstimmung.
Schulterschluss mit Baerbock
Vor seiner Nominierung bittet Habeck die Delegierten um ihre Unterstützung. Er werbe um das Vertrauen, diese Partei und die Verantwortung weiter tragen zu dürfen, sagt er beim Parteitag in Wiesbaden. «Und wenn es uns ganz weit trägt, dann auch ins Kanzleramt», fügt er hinzu. Ausdrücklich dankt er Baerbock, mit der er sich einst den Parteivorsitz geteilt hatte. An ihre Adresse sagt er: «Es ist ein grosses Privileg, dich vor mir, neben mir und hinter mir zu wissen.»
Zuvor hat Baerbock Habeck als «superpragmatisch» gewürdigt. «Ich will genau das: Dich als Kanzler», ruft sie ihm zu. «Keiner kann im Sturm das Ruder so rumreissen wie Robert Habeck und zugleich bei Rückenwind die Segel richtig setzen.» Für den Wahlkampf sagt sie ihm ihre Unterstützung zu.
Felix Banaszak mit 92,88 Prozent als Grünen-Chef gewählt
Felix Banaszak ist neuer Co-Vorsitzender der Grünen. Die Delegierten beim Bundesparteitag in Wiesbaden wählten den 35-Jährigen mit 92,88 Prozent der Stimmen für eine Amtszeit von zwei Jahren.
Franziska Brantner ist neue Grünen-Chefin
Franziska Brantner ist zur neuen Co-Vorsitzenden der Grünen gewählt worden. Die Delegierten beim Bundesparteitag in Wiesbaden votierten für die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium mit 78,15 Prozent der Stimmen für eine Amtszeit von zwei Jahren.
Aargauer soll Scholz aus dem Tief holen
Für die kommenden Neuwahlen in Deutschland setzt Bundeskanzler Olaf Scholz (66) auf bewährte Hilfe aus dem Kanton Aargau. Der renommierte Werbefachmann Dennis Lück half Scholz schon 2021, seine Unbeliebtheit abzuschütteln– und soll nun dabei helfen, den SPD-Politiker aus der Krise zu holen.
«Ja, wir haben erneut den Auftrag, die SPD bei den Wahlen zu unterstützen», erklärt Lück gegenüber «CH Media». Weitere Angaben macht Lück nicht. 2021 spielte seine Agentur Brinkertlück Creatives eine entscheidende Rolle beim Wahlsieg der SPD.
Damals verwandelte Lück die vermeintlichen Schwächen von Scholz in Stärken, indem er Vertrauen und Verlässlichkeit als dessen Markenzeichen etablierte. Der Slogan «Scholz packt das an» positionierte Scholz als seriösen Macher. Dieses Mal dürfte Lücks Mission ungleich schwerer werden, ist Scholz doch in Umfragen der vergangenen Monate zeitweise der unbeliebteste Bundeskanzler aller Zeiten gewesen.
Kubicki: Ampel hat «schlechteste Wirtschaftsbilanz seit Bestehen der Republik»
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki (72) hält eine Entschuldigung bei den deutschen Bürgerinnen und Bürgern für die Ampel-Regierung für angebracht. «Ich würde mich dafür entschuldigen, dass die Ampel tatsächlich drei Jahre durchgehalten hat, ohne ein wirklich sinnvolles Ergebnis», sagte Kubicki am Donnerstag dem Sender Welt TV. Die «Ampel» habe «die schlechteste Wirtschaftsbilanz seit Bestehen der Republik».
Anlass zur Entschuldigung sieht Kubicki auch dafür, «dass wir teilweise den Streit öffentlich ausgetragen haben und der auch teilweise unter die Gürtellinie gegangen ist». Kubicki äusserte im Interesse seiner eigenen Partei die Hoffnung, dass die SPD an Olaf Scholz (66) als Kanzlerkandidat festhält und nicht gegen Verteidigungsminister Boris Pistorius (64) austauscht: Dies wünsche er sich, «weil ich nicht will, dass die Sozialdemokraten stärker werden als die Meinungsumfragen gerade sind».
Lindner: Neuwahl ist eine Chance
«Unser Land muss jetzt von links in die Mitte geführt werden, deshalb ist diese Wahl eine Chance für Deutschland», sagt Lindner. Damit ist auch seine Rede beendet und auch die Live-Berichterstattung zur Regierungserklärung in diesem Ticker.
Lindner fordert Taurus-Lieferung
Lindner wiederholt seinen Vorwurf, dass Scholz mit der Aufhebung der Schuldenbremse für grössere Ukraine-Hilfen die Verfassung brechen wollte. «Die Ukraine fordert nicht zusätzliches Geld. Die Ukraine fordert zusätzliches Material», unterstreicht Lindner und fordert die Lieferung des Waffensystems Taurus. «Der Bruch der Koalition beugte dem Bruch der Verfassung vor», erklärt er.
Lindner: Scholz kann keine Fortschrittskoalition führen
Jetzt gibt Lindner Einblick in den Ampel-Bruch. «Auf die zentralen Fragen dieser Stunde haben wir keine gemeinsamen Antworten mehr gefunden», so der FDP-Chef. Er wirft Scholz vor, keine Agenda für eine Wirtschaftswende gehabt zu haben. Er spricht Scholz zudem ab, eine Fortschrittskoalition führen zu können.
Lindner: «Manchmal ist eine Entlassung auch eine Befreiung»
Als Nächster hält FDP-Chef Christian Lindner seine Rede. «Manchmal ist eine Entlassung auch eine Befreiung», sagt der Ex-Finanzminister. «Die Menschen spüren, dass in einer Gesellschaft ohne Wachstum Verteilungskämpfe drohen», betont der Liberale.
«Wir müssen einsehen: Nicht moralische Überlegenheitsgefühle sichern unsere Position in der internationalen Politik», so Lindner. Stattdessen sei es die wirtschaftliche Stärke, die dies tue. «Die Regierung Scholz ist auch daran gescheitert, dass wir im Kabinett nicht mehr über dasselbe Land gesprochen haben», fügt er an.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (66) hat das Ende des Ampel-Bündnisses verkündet. Man brauche eine handlungsfähige Regierung, so Scholz. Er habe noch ein umfangreiches Angebot vorgeschlagen. Ein Angebot für Deutschland, wie er sagt. Angesichts der Herausforderungen brauche man einen grösseren Haushalt. Die «Lage ist ernst», so Scholz, der knallhart mit seinem Ex-Finanzminister Christian Lindner (45) abrechnet.
Der Bundesfinanzminister sei nicht bereit, auf das Angebot einzugehen. Konkret warf Scholz Lindner vor, in der gemeinsamen Regierungszeit Kompromisse durch öffentlich inszenierten Streit übertönt und Gesetze sachfremd blockiert zu haben. «Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.» Es gehe ihm nur um das Überleben der eigenen Partei, so Scholz. «So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich.»
Nach den Wahlen in den USA mit dem künftigen neuen Präsidenten komme es nun auf ein enges transatlantisches Verhältnis an. Doch erst gehören nach dem dramatischen Platzen der Ampel-Koalition die Scherben zusammengekehrt. Zum ersten Mal seit 2005 gibt es wieder eine rot-grüne Regierung, die allerdings keine Mehrheit im Parlament hat. Sie soll auch nur für eine Übergangsphase bestehen, von der man noch nicht genau weiss, wie lange sie dauern wird.
Lindner wirft Scholz kalkulierten Bruch der Koalition vor
Der entlassene Finanzminister Lindner warf dem Bundeskanzler seinerseits vor, den Bruch der Ampel-Koalition gezielt herbeigeführt zu haben. «Sein genau vorbereitetes Statement vom heutigen Abend belegt, dass es Olaf Scholz längst nicht mehr um eine für alle tragfähige Einigung ging, sondern um einen kalkulierten Bruch dieser Koalition», sagte der FDP-Vorsitzende in Berlin. Damit führe Scholz Deutschland in eine Phase der Unsicherheit.
Den beiden Koalitionspartnerparteien SPD und Grünen warf Lindner vor, seine Vorschläge für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert zu haben. Scholz habe lange die Notwendigkeit verkannt, dass Deutschland einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch benötige. «Er hat die wirtschaftlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger lange verharmlost», sagte Lindner. «Seine Gegenvorschläge sind matt, unambitioniert und leisten keinen Beitrag, um die grundlegende Wachstumsschwäche unseres Landes zu überwinden, damit wir unseren Wohlstand, unsere soziale Sicherung und unsere ökologische Verantwortung erhalten können.»
Scholz habe ultimativ von ihm verlangt, die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen, so Lindner. «Dem konnte ich nicht zustimmen, weil ich damit meinen Amtseid verletzt hätte. Deshalb hat der Bundeskanzler in der Sitzung des Koalitionsausschusses am heutigen Abend die Zusammenarbeit mit mir und der FDP aufgekündigt.»
FDP zieht alle Minister ab
Die FDP zieht alle ihre Minister aus der Bundesregierung zurück. Sie wollten ihren Rücktritt geschlossen beim Bundespräsidenten einreichen, kündigte Fraktionschef Christian Dürr (47) in Berlin an.
Dürr sagte, die Richtungsentscheidung für eine «Wirtschaftswende» sei in der Ampel-Koalition nicht möglich gewesen. Die Vorschläge des Kanzlers hätten nicht im Ansatz ausgereicht, um Deutschland wieder wirtschaftlich nach vorn zu bringen. Jetzt sei es an den Wählerinnen und Wählern, eine Richtungsentscheidung für das Land zu treffen. Dürr sagte, die FDP im Bundestag werde in der verbleibenden Zeit der Wahlperiode weiter konstruktiv sein. Über einzelne Projekte werde man dann zwischen allen demokratischen Fraktionen sprechen.
Vertrauensfrage im Januar
Scholz hat offenbar vor, im Januar die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Falls ihm eine Mehrheit der Parlamentarier nicht das Vertrauen ausspricht, könnte es vermutlich im März Neuwahlen geben.
Scholz will Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) anbieten, rasch gemeinsam nach Lösungen zur Stärkung der Wirtschaft und der Verteidigung zu suchen. «Ich werde nun sehr schnell auch das Gespräch mit dem Oppositionsführer, mit Friedrich Merz suchen», so der SPD-Politiker.
«Stärkung unserer Wirtschaft und unsere Verteidigung»
Er wolle Merz anbieten, in zwei oder gerne auch noch mehr Fragen, «die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: Bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung», sagte der Kanzler.
Zuvor hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zweieinhalb Stunden beraten, um Wege aus der Ampel-Krise zu finden. Im Kern ging es darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat in einem Statement am Abend vom Bruch der Ampel-Koalition gesprochen. Das sagte er nach dem Koalitionsausschuss vor dem Bundeskanzleramt.