Ganze Familie stirbt bei Busunglück in Mestre
Mama Mihaela (†42), Papa Micea (†45) sowie die beiden Töchter Aurora (†8) und Georgiana (†13): Unter den Opfern der Tragödie in Mestre bei Venedig ist eine ganze Familie. Das berichtet «La Stampa».
Die vierköpfige Familie O.* war rumänischer Herkunft, die Eltern waren mit ihren Töchtern aber aus beruflichen Gründen nach Deutschland gezogen. Sie wollten ein paar Tage Ferien in Italien geniessen, ahnten nicht, dass die Reise mit ihrem Tod enden würde. Verwandte sind nun extra angereist, halfen bei der Identifizierung der Verstorbenen. Nun braucht es laut «La Stampa» noch einige Formalitäten, bis ihre Leichen zurückgeführt werden können.
* Name bekannt
Brückengeländer in Venedig war offenbar marode
Nach dem Busunglück in Venedig mit mindestens 21 Todesopfern sind in Italien erhebliche Sicherheitsmängel rund um die Unfallstelle öffentlich geworden. Wie der Verkehrsstadtrat der Lagunenstadt, Renato Boraso, in mehreren am Donnerstag veröffentlichten Interviews erklärte, entsprach die Leitplanke an der Stelle, an der das Fahrzeug von einer Brücke in die Tiefe stürzte, nicht den geltenden Sicherheitsstandards. Demnach gab es die Planungen für eine Renovierung bereits seit 2016, doch begannen die Arbeiten erst im September.
Die italienische Zeitung «La Stampa» schrieb mit Blick auf die Absicherung der Brücke von einem «Skandal». Demnach befand sich an der Unfallstelle eine eineinhalb Meter lange Lücke in der Leitplanke. Das hinter dieser Lücke befindliche Metallgeländer hielt dem Aufprall des Busses nicht stand.
Erneuerung sollte bald abgeschlossen sein
Der Elektrobus, mit dem Touristen auf der Rückreise von einem Ausflug in der Altstadt Venedigs waren, schrammte nach bisherigen Erkenntnissen mehrere Meter an der Leitplanke entlang, bevor er die Lücke erreichte und hinabstürzte.
Venedigs Verkehrsstadtrat Boraso sagte, die Erneuerung des Geländers wäre im Zuge der im September begonnenen Arbeiten bis zum kommenden Jahr abgeschlossen gewesen; bis zu einem Abschnitt 400 Meter vor der Unfallstelle seien die Reparaturen bereits abgeschlossen gewesen.
Warum kam der Bus von der Fahrbahn ab?
Mit Blick auf die sieben Jahre, die vom Beginn der Planung bis zum Anfang der Arbeiten verstrichen waren, sagte Boraso: «Wir sollten uns fragen, warum in Italien ein Verfahren zur Ausführung solcher Arbeiten so lange dauern muss.»
Warum der Bus von der Fahrbahn abkam, ist bislang ungeklärt. Als wahrscheinlichste Erklärung gilt ein Schwächeanfall des Fahrers.
Alle Opfer identifiziert
Der Präfekt von Venedig, Michele di Bari, gab am Mittwochabend bekannt, dass alle Todesopfer des tragischen Busunfalls identifiziert seien. Bei den Verstorbenen handelt es sich um neun Ukrainer, vier Rumänen, drei Deutsche, einen Italiener (der Fahrer), einen Kroaten, zwei Portugiesen sowie einen Südafrikaner. Von den 15 Verletzten schweben zudem fünf in Lebensgefahr, berichtet «La Stampa».
Weiter heisst es in dem Bericht, die am schwersten verletzte Person sei eine Dreijährige. Sie habe bei dem Unglück schwerste Verbrennungen erlitten, und ihr Zustand habe sich seit letzter Nacht nicht verbessert.
«Eltern fragen nach ihren Kindern und Kinder nach ihren Eltern»
Wie Rai News berichtet, liegen nach dem Unfall 12 Erwachsene sowie drei Minderjährige im Spital. Zwei der Minderjährigen sind Österreicher. Bei zwei Verletzten wird die Identität noch geklärt.
Weitergehend wird berichtet, dass vier der Patienten wach seien. Sie fragen nach ihren Angehörigen und liegen im Spital dell'Angelo in Mestre. Chiara Berti, die medizinische Leiterin der Einrichtung, erklärt: «Das erste Problem ist die Gesundheit, dann kommt der ganze Rest. Jetzt versuchen wir zunächst, sie zu heilen. Sobald sie in einem stabilen Zustand sind, werden wir bezüglich des psychologischen Traumas intervenieren.»
Moreno De Rossi ist ein auf Psychiatrie spezialisierter Arzt, der sich um die Opfer des Busunfalls kümmert. Er erklärt: «Es ist eine sehr, sehr schwierige Arbeit, denn es gibt Eltern, die nach ihren Kindern fragen, Kinder, die nach ihren Eltern fragen und Ehemänner, die nach ihren Frauen fragen. Kurzum, es ist eine sehr, sehr schwierige Zeit»
Bus wurde kontinuierlich überwacht – Daten könnten Aufklärung bringen
Im verunfallten Bus befand sich eine sogenannte «Blackbox». Dabei handelt es sich um «ein System, das Geschwindigkeit, Position und Bremsungen aufzeichnet und in der Cloud sichert», erklärt Massimo Fiorese, CEO des betroffenen Busunternehmens. Laut Fiorese führt die Box «kontinuierliche Aufzeichnungen darüber, was drinnen und draussen passiert.» Eine Auswertung dieser Daten könnte möglicherweise neue Erkenntnisse über den Unfallhergang liefern.
Schwangere Kroatin (†24) stirbt auf Hochzeitsreise
Im Todesbus sass ein kroatisches Ehepaar, das vor knapp drei Wochen heiratete. Die Frischvermählten waren als Teil ihrer Flitterwochen in Venedig unterwegs. Doch es blieb ihre letzte gemeinsame Reise.
Antonela B.* (†24) überlebte den tragischen Unfall nicht – mit ihr starb ihr ungeborenes Kind: Sie war im fünften Monat schwanger, wie kroatische Medien berichten. Ihr Mann wurde verletzt und wird auf der Intensivstation behandelt. Er sei in ernstem Zustand, aber stabil.
Venedig sei schon immer ein Traumziel des Paares gewesen, berichten kroatische Medien. Das Paar habe die Nacht auf dem Campinplatz verbringen wollen, um etwas Abwechslung zu normalen Hotels zu erleben.
Dreitägige regionale Trauer angeordnet
Der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, zeigt sich bestürzt. «Ich habe eine dreitägige regionale Trauer bis zum 6. Oktober angeordnet», gibt er am Mittwoch bekannt. Die Angehörigen der Verstorbenen und Verletzten bekommen zudem psychologische Unterstützung. Sechs Psychologen seien demnach im Einsatz.
«Viele hatten keine Dokumente dabei»
Bruno Cherchi, Staatsanwalt von Venedig, erklärt, es sei «schwierig, den Opfern eine Identität zu geben», da «viele keine Dokumente bei sich hatten». Deshalb sei es nun Aufgabe der Gerichtsmedizin und der Polizei, die Opfer zu identifizieren. Auch DNA-Untersuchungen sollen bei Bedarf eingesetzt werden. Der Staatsanwalt bleibt trotz der Schwierigkeiten zuversichtlich: «Wir hoffen, die Opfer bis morgen zu idenitifzieren. Es ist unsere Absicht, die Leichen so schnell wie möglich den Angehörigen zurückzugeben.»
Acht Opfer identifiziert – sieben davon sind weiblich
Von den 21 Todesopfern konnten bis Mittwochnachmittag acht identifiziert werden. Wie Rai News berichtet, waren sieben von ihnen weiblich und zwei minderjährig. Bei dem männlichen Opfer handelt es sich um ein eineinhalb Jahre altes Kleinkind. Zudem starb ein 11-Jähriges Mädchen. Bei den restlichen Opfern handelt es sich um Frauen im alter von 28, 38, 65 und 70 Jahren. Ebenso starben zwei 30-jährige Frauen.
«Wir haben es mit einer Tragödie junger Menschen zu tun»
Einer der Rettungskräfte vor Ort sagte zur TGCom 24, dass der erste Eindruck nach dem Abtransport der Leichen sei, dass «wir es mit einer Tragödie junger Menschen zu tun haben, wenn nicht sogar mit sehr jungen Menschen, abgesehen von ein paar Erwachsenen.» Unter den Todesopfern waren mindestens drei Minderjährige. Schwer verletzt wurden zudem ein dreijähriges sowie ein vierjähriges Mädchen.
«Nur drei oder vier Überlebende können sprechen»
«Wir hören von den Überlebenden, die alle verletzt sind und von denen nur drei oder vier sprechen können» , erklärt der Staatsanwalt von Venedig gegenüber Rai News. Weitergehend betont er, dass nach aktuellem Ermittlungsstand «niemand» bemerkt habe, was geschehen sei. Aufgrund des gesundheitlichen Zustandes der Verletzten sei es schwierig, Ermittlungen durchzuführen. Die Gesundheit der Opfer stehe somit an erster Stelle.
Schweres Bus-Unglück bei Venedig: Am Dienstagabend um zirka 19.45 Uhr kommt ein Bus von der Vempa-Überführung in Mestre ab, durchbricht das Geländer und stürzt etwa zehn Meter tief auf die darunter liegenden Bahngeleise. Er landet zwischen einem Lagerhaus und den Gleisen des Bahnhofs Mestre.
Der Elektro-Bus fängt unmittelbar nach dem Aufprall Feuer. Es sind grauenvolle Bilder: Die Insassen sind im Fahrzeug eingeschlossen – 21 Menschen sterben, darunter zwei Kinder! 15 weitere Personen werden beim Unglück verletzt, fünf davon schwer. Unter den Schwerverletzten soll auch ein vierjähriges Mädchen sein. Die Zahl der Opfer könnte noch steigen, schreibt der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, auf Facebook.
Zu den bereits identifizierten Opfern des Busunfalls in Mestre gehören fünf ukrainische Staatsbürger, ein Deutscher und der Fahrer des Fahrzeugs, Alberto R.* (40), ein Italiener aus der norditalienischen Provinz Treviso. Unter den weiteren Opfern sollen französische und kroatische Staatsbürger sein.
Gambischer Arbeiter wird zum Helden
Ein gambischer Arbeiter, der zum Zeitpunkt des Unfalls in einer Fabrik in der Nähe ist, eilt mit einem Kollegen zum brennenden Bus und hilft den ersten eintreffenden Feuerwehrleuten, die Passagiere aus dem Bus zu holen. Boubacar Toure sagt dem «Gazzettino»: «Ich habe ein kleines Mädchen gerettet.» Insgesamt habe er bei der Rettung von vier Personen helfen können.
«Ausser ihnen konnte ich auch einen kleinen Hund befreien», sagt der junge Mann. «Ich sah den Fahrer in der Kabine des Busses, aber er war bereits tot», berichtet Boubacar. Ein Feuerwehrmann habe ihm dann gesagt, dass sie an die Lebenden denken müssten. «Und so half ich ihm, diese Menschen herauszuholen und ins Freie zu bringen.»
Es gibt keine Bremsspuren
Der Kommandant der Stadtpolizei Venedig sagt vor Ort gegenüber Reportern, dass auf dem Asphalt keine Bremsspuren gefunden wurden – man gehe derzeit von einem medizinischen Problem des Chauffeurs als Ursache aus. Das sei aber nur eine Hypothese, auch Sekundenschlaf sei eine Möglichkeit. Der 40-jährige Mann am Steuer starb beim Unfall.
Laut «RAI» besteht aber auch die Möglichkeit, dass es vor dem Unfall zu einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug gekommen sei. Auch diese These werde derzeit geprüft. Träfe dies zu, wäre das beteiligte Fahrzeug von der Unfallstelle geflüchtet.
Der Schock in der Region ist riesig. Der Bürgermeister von Venedig, Luigi Brugnaro, spricht von «vielen Toten». Es handle sich um eine «grosse Tragödie» und «apokalyptischen Szenen». Er habe umgehend nach dem Unglück eine Staatstrauer angeordnet, um den vielen Opfern zu gedenken. Auch Innenminister Matteo Piantedosi ist vom Ausmass des Unfalls schockiert: «Der Bus ist 30 Meter weit geflogen.»
Der Unfall hat sich im Stadtteil Mestre ereignet. Wie «Rai» berichtet, handelte es sich nicht wie zunächst angenommen um einen Linienbus, sondern um einen Reisebus. Dieser sei von einem Campingplatz in Marghera für seine Gäste gemietet worden. Demnach seien darin Touristen von Venedig zu einem Campingplatz in der Nähe von Mestre transportiert worden.
Bergung der Leichen schwierig
Die Feuerwehr schloss nach eigenen Angaben die Untersuchung des Innenraums des Fahrzeugs noch am Abend ab. Die Einsatzkräfte seien allerdings noch beschäftigt, zu prüfen, ob sich unter dem Buswrack noch Menschen befinden, hiess es. Schon kurz nach dem Unfall waren viele Einsatzkräfte mit mehreren Krankenwagen am Unfallort. Die Bahnlinie zwischen Mestre auf dem Festland und der berühmten Lagunenstadt Venedig wurde unterbrochen. Der Bus war in sich zusammengedrückt, deshalb hatten die Einsatzkräfte vor Ort Mühe, die Leichen zu bergen.
Wenige Minuten nach dem Unglück meldete sich auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zu Wort und zeigte sich bestürzt: «Meine Gedanken sind bei den Opfern, ihren Familien und Freunden. Ich stehe in engem Kontakt mit Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro und Innenminister Matteo Piantedosi, um die Nachrichten über diese Tragödie zu verfolgen.» (nad/neo/dzc/SDA/AFP)
* Name bekannt