In Syrien sei die UNO eine «bewegungsunfähige Zuschauerin», sagt Ziegler, Vize-Präsident des Beratenden Ausschusses des UNO-Menschenrechtsrats, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda anlässlich des Erscheinens seines Buchs «Chemins d'espérance» («Wege der Hoffnung»). Das Veto Russlands verhindere jegliche Militäraktionen wie etwa eine internationale Truppe oder eine Flugverbotszone.
Ziegler glaubt weiter an eine Reform des Sicherheitsrats. «Die UNO ist die einzige Hoffnung», sagt er mehr als 70 Jahre nach der Gründung der Organisation. Er plädiert für die Umsetzung eines Plans des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan aus dem Jahre 2006.
Der Plan sieht vor, dass bei Verdacht auf Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit das Vetorecht ausser Kraft tritt. Diese Idee wurde kürzlich vom UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Raad al-Hussein, wiederaufgenommen, benötigt aber die Unterstützung der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, also der Vetomächte.
Mit dem Horror in Syrien sei das allgemeine Verantwortungsbewusstsein durchaus geschärft worden, findet Ziegler. So würden etwa die EU, Frankreich oder Deutschland hinter den Kulissen aktiv.
Zudem habe der nächste Generalsekretär, der Portugiese António Guterres, das Format, um die Lage in seinem Sinne zu ändern. «Schliesslich war er Präsident der Sozialistischen Internationalen», fügt der ehemalige SP-Nationalrat mit einem Augenzwinkern hinzu.
Die Situation in Syrien - wie auch jene im Jemen und dem Sudan - zeige eine weitere beunruhigende Tatsache: «Nahrungsentzug als Waffe im Krieg verbreitet sich zunehmend», beklagt Ziegler, der mehrere Jahre UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung war.
Auch hier scheint dem Genfer eine Reform des Sicherheitsrats unabdingbar. Das Kapitel VII der UNO-Charta, welches Sanktionen oder Militäraktionen erlaube, müsse im Fall von schweren Menschenrechtsverletzungen «automatisch» aktiviert werden, findet er. Die Charta solle zudem an allen Schulen Unterrichtsstoff sein.
Um die Budgetprobleme der 23 UNO-Organisationen anzugehen, schlägt Ziegler einen «Solidaritätsbeitrag» vor, den die Mitgliederstaaten proportional zu ihrem BIP entrichten würden. Ein solches System würde der heutigen Finanzierung der UNO als Ganzes ähneln, die aus obligatorischen und freiwilligen Beiträgen der Staaten besteht.
Ein Viertel der UNO-Programme wird gegenwärtig von Washington finanziert. Die USA würden indes nicht an den Multilateralismus glauben und liessen die wichtigen UNO-Posten mit ihnen genehmen Personen besetzen, beklagt Ziegler.
In seinem Buch spricht der Globalisierungskritiker von einer «machtlosen» UNO, für die «graue Funktionäre» mit «dicken Gehältern» arbeiteten. Den multinationalen Konzernen wirft er vor, die Regierungen buchstäblich zu kontrollieren.
Ziegler verspürt zudem das Bedürfnis, Klarheit bezüglich seinen umstrittenen Besuchen in Nordkorea oder beim 2011 gestürzten libyschen Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi zu schaffen. Letzteren habe er «zwei oder drei Mal zu häufig» gesehen. Ohne Bedauern schaue er indes auf seine Begegnung mit Saddam Hussein im Irak zurück, die zur Befreiung von Schweizer Geiseln geführt habe.
Er erzählt auch davon, wie ihn der frühere Bundespräsident Flavio Cotti im Zusammenhang mit der Affäre um nachrichtenlose Vermögen als Verräter bezeichnet hatte. Von der Eidgenossenschaft verlangt er heute, sich für die Entschuldung der weltweit ärmsten 50 Staaten einzusetzen.
Schliesslich huldigt Ziegler jenen Personen, die er stets bewundert hat. Dazu gehören zum einen die ehemaligen UNO-Generalsekretäre Dag Hammarskjöld, Boutros Boutros-Ghali und Kofi Annan, aber auch Persönlichkeiten wie der frühere Präsident von Burkina Faso, Thomas Sankara, der Revolutionär Che Guevara oder der ehemaligen kubanische Präsident Fidel Castro.