Verdeckte Ermittlungen, Spürhunde, Kondom-Suche in Abfalleimern
So macht die schwedische Polizei Jagd auf Freier

Das EU-Parlament möchte in ganz Europa ein Prostitutionsverbot einführen – so wie es Schweden schon seit 1999 kennt. Um Freier auf frischer Tat zu ertappen, ist der schwedischen Polizei kein Aufwand zu gross.
Publiziert: 19.09.2023 um 19:07 Uhr
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Aktualisiert: 19.09.2023 um 19:52 Uhr
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Mit Razzien versucht die schwedische Polizei, die Prostitution zu unterbinden.
Foto: IMAGO/TT
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Guido FelderAusland-Redaktor

Die schwedische Polizei hat alle Hände voll zu tun. In keinem europäischen Land gibt es so viele tödliche Schiessereien auf der Strasse wie in Schweden. Ursache sind meistens Abrechnungen unter Banden. Die Jagd nach den Tätern ist schwierig, weil sie – aus Angst vor Vergeltung – oft gedeckt werden. 

Es gibt noch ein Täterprofil, auf das die Polizei mit praktisch ebenso grossem Engagement ihren Fokus richtet: auf Freier. Seit 1999 ist Prostitution in Schweden verboten. Um ganz genau zu sein: Um die Frauen zu schützen, wird das Anbieten von Sex nicht geahndet, nur der Käufer wird verfolgt. Im übertragenen Sinne: Die Fischerinnen dürfen ihre Angel auswerfen, die Fische dürfen aber nicht anbeissen. 

Dieses System möchte das EU-Parlament auf alle Mitgliedstaaten adaptieren. Sexarbeiterinnen und auch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Right Watch protestieren allerdings dagegen. Sie befürchten eine Verlagerung der Szene in den Untergrund, ein höheres Sicherheitsrisiko für die Frauen und vor allem den Verlust auf Selbstbestimmung der Frauen. 

Monatelang Thaisalon observiert

Wie ernst es den schwedischen Behörden im Kampf gegen die Prostitution ist, zeigen die vielen Razzien der Polizei. Das von der Polizei herausgegebene Portal tidningensvenskpolis.se beschreibt einen Einsatz von 2022 gegen einen Salon, in dem offiziell Thaimassagen angeboten werden – gegen Aufpreis allerdings auch mehr.

Das Portal schreibt über den Einsatz der Polizisten: «Sie beobachten schon seit Monaten. Sie haben Kondome aus öffentlichen Abfalleimern gefischt und festgehalten, wer was im thailändischen Massagesalon macht. Der Strom der männlichen Besucher war gross. Heute ist es Zeit für eine Razzia.»

«Schnell und mit grossem Aufgebot» stürmen die Polizisten den Salon. Sie händigen den fünf anwesenden Frauen Zettel mit einer thailändischen Nachricht aus, um sie zu beruhigen: Die Einheit habe es nur auf Männer abgesehen, die hier gegen Geld sexuelle Befriedigung suchen. 

Kondome in der Tiefkühltruhe

Zwei Kunden werden identifiziert und laufengelassen, sie werden eine Busse erhalten. Hunde suchen auf den Matratzen nach Spermaspuren. In einer Gefriertruhe, zwischen Brokkoli und Lebensmittelkartons, finden die Beamten gebrauchte Kondome, in einem Schrank viel Bargeld. Der Salonchef, ein Zuhälter, wird verhaftet, das Schloss ausgetauscht. 

Der Einsatzchef bilanziert stolz: «Wir erhielten Informationen, dass bis zu 40 Kunden pro Tag gegen das Gesetz verstossen und hier sexuelle Dienstleistungen kaufen.» Die Informationen stammten unter anderem von Kunden, die eine reguläre Massagen geniessen wollten.

Die Razzia im Thaisalon war minutiös vorbereitet. Während drei Monaten wurden Tausende von Kunden identifiziert, die das Lokal besucht hatten. Sie müssen mit einer Busse rechnen. Der Salonchef wurde später wegen Zuhälterei zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. 

Hotelangestellte spionieren im Zimmer

2021 hat die Polizei in Schweden 1886 Freier ertappt. Je nach Intensität der Ermittlungen können es in einer Woche bis 100 sein. Oft sind es Hinweise, die sie auf die Spur führen. In einem Youtube-Video ermuntert die Polizei die Bevölkerung, verdächtige Handlungen im Zusammenhang mit Menschenschmuggel und Prostitution anonym zu melden.

Hinweise kommen aber auch von Hotels. Hotelketten weisen Angestellte an, Kunden zu überwachen und Hotelzimmer zu durchsuchen. Eine Checkliste zeigt, wonach sie Ausschau halten sollen: im Güsel nach Kondomen, unter Stehlampen nach Bargeld und unter der Matratze nach Waffen wie Pfeffersprays und Messer, die Prostituierte zum Selbstschutz oft mit sich führen.

Der Trick der Escorts

Seit der Einführung des Prostitutionsverbots ist die Strassenprostitution etwa zur Hälfte zurückgegangen, dafür schiessen Kontaktanzeigen auf dem Internet in die Höhe. Die Polizei ist praktisch machtlos, da die Girls auf ausländischen Servern inserieren. Um an die Kontakte und Standorte der Frauen heranzukommen, geben sich Polizisten am Telefon oft als Freier aus und ermitteln undercover. 

Ob das Verbot den erwünschten Schutz der Frauen bringt, darüber gibts keine einheitliche Bilanz. Die Dunkelziffer im Sexgewerbe dürfte sehr hoch sein. Mit ihren grossangelegten Ermittlungen will die Polizei aber ein Signal setzen: Schweden soll für Menschenhändler und Zuhälter unattraktiv sein. 

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