Früher gab es Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll. Heute, im 21. Jahrhundert, prägen Rauchverbot, Badiverbot, Nacktwanderverbot, Littering- und Pinkelbussen unseren Alltag. Und als ob das nicht schon genug wäre, bekommen wir bald auch wegen einer Cola-Flasche ein schlechtes Gewissen.
Der Stadtrat von San Francisco (USA) hat diese Woche entschieden, dass Werbeanzeigen für Softdrinks künftig ähnlich wie jene für Zigaretten mit Warnhinweisen versehen werden müssen. Rechtskräftig wird der Vorschlag nach einer weiteren Zustimmung des Rates und des Bürgermeisters.
Das gibt jenen Kräften Auftrieb, die in der Schweiz für sämtliche Lebensmittel ein Ampelsystem fordern. Damit sollen unter anderem Fett- und Zuckergehalt mit Rot, Orange oder Grün gekennzeichnet werden.
Obwohl sich die Lebensmittellobby hierzulande nach jahrelanger Abwehrhaltung gesprächsbereit zeigt, stellt sich dennoch die Frage: Brauchen wir alle diese Anweisungen? Schliesslich weiss mittlerweile jedes Kind, dass Rauchen, übermässiges Trinken – von Alkohol und Süssgetränken – und Essen ungesund sind. Und dennoch hat der Mensch seit jeher Sehnsüchte.
Verschiedene Sehnsüchte zu haben, kann motivierend sein. Aber als Sucht können sie einen auch zerreissen. Früher setzte das soziale Umfeld dem Verhalten Leitplanken – heute soll es der Staat richten. Und dringt immer tiefer in die Privatsphäre der Bürger ein. Der Staat wird zum Vormund. Gestützt wird er von der Politik, die für neue Vorschriften weibelt.
Soziologieprofessor Ueli Mäder (64) von der Universität Basel sagt: «Seit den 90er-Jahren hat die Reglementierung der Gesellschaft da und dort Konjunktur.» Das sei unter anderem eine Reaktion auf den rasanten Wandel unserer Gesellschaft. «Indem man nach Ruhe und Ordnung ruft, sucht man Halt», sagt er.
Mäder warnt: «Wir laufen Gefahr, dass das 21. Jahrhundert ein autoritäres Jahrhundert wird.» Mehr Offenheit würde der Gesellschaft deshalb guttun, sagt er.