Es ist nach der Henkersmahlzeit die letzte Gnade, die einem zum Tode Verurteilten gewährt wird: Zum allerletzten Mal darf er etwas sagen. Doch was zum Henker sagt jemand, der im Bergriff ist, von der Justiz für immer zum Schweigen gebracht zu werden?
Zwei Wissenschaftler der Universität Mainz sind dieser Frage nachgegangen. Boris Egloff, Professor für Persönlichkeitspsychologie und psychologische Diagnostik, und Sarah Hirschmüller, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Psychologischen Institut, haben untersucht, was Todeskandidaten im Staatsgefängnis Huntsville im US-Bundesstaat Texas sagen, bevor sie die tödliche Spritze erhalten.
Insgesamt 407 solcher Aussagen haben sie laut einem Bericht der «Welt» analysiert. Ihre Befunde haben sie in der Zeitschrift «Frontiers of Psychology» veröffentlicht – und die sind durchaus verblüffend: Egloff und Hirschmüller kommen zum Schluss, dass ausgerechnet Todeskandidaten zum Abschied besonders viele positive Wörter verwenden. Zudem benutzen sie diese häufiger als Menschen, die sich etwa den Tod vorstellen.
«Sie versuchen, mit sich ins Reine zu kommen»
Am häufigsten sprechen zum Tode Verurteilte über Liebe, ihre Familie und Gott. Doris Egloff erklärt sich dies wie folgt: «Sie bedanken sich bei Freunden, Unterstützern und Helfern, sie entschuldigen sich, sie versuchen, mit sich ins Reine zu kommen und ihrem Leben einen Sinn zu geben», wird er in der «Welt» zitiert.
In der Regel werden die letzten Worte – in Huntsville sind es im Schnitt 140 – im Beisein von Zeugen gesprochen. Bis zu fünf Freunde oder Angehörige können nebst Pressevertretern und einem spirituellen Berater, etwa einem Pfarrer, der Hinrichtung beiwohnen.
Mit positiven Worten versuchten die Todeskandidaten vermutlich, ihre existenziell-furchterregende Situation zu bewältigen, so Egloff. «Sie können sich so darstellen, wie sie erinnert werden möchten, können eventuell manches klarstellen und eine kurze Bilanz ziehen.» (gr)