Eine angekündigte Untersuchung des US-Geheimdiensts zum Ursprung des Coronavirus sorgt in Peking für Unmut: Ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums wies am Donnerstag die Notwendigkeit einer solchen Untersuchung entschieden zurück.
Hintergrund der von US-Präsident Joe Biden (78) angeordneten Untersuchung ist die Frage, ob möglicherweise ein Laborunfall in der chinesischen Stadt Wuhan zu der weltweiten Corona-Pandemie mit mehr als 3,4 Millionen Toten führte.
Biden hat am Mittwoch mitgeteilt, dass er die US-Geheimdienste angewiesen habe, innerhalb von 90 Tagen darüber zu berichten, ob das Virus nicht von Tieren stammt und sich auf Menschen ausgebreitet hat, sondern aus einem chinesischen Labor entwichen sein könnte. Bei den US-Geheimdiensten herrscht derzeit Uneinigkeit in der Frage, welches Szenario wahrscheinlicher sei.
Erbostes Peking
Schon bald nach Beginn der Pandemie war darüber spekuliert worden, dass das Coronavirus bei einem Unfall aus dem Institut für Virologie in Wuhan, in dem an Coronaviren geforscht wird, entwichen sein könnte. Die chinesische Regierung hat das stets energisch bestritten.
Die «Motive und Ziele» der US-Regierung seien «klar», erklärte der chinesische Ministeriumssprecher. «Die dunkle Geschichte der US-Geheimdienste ist der Welt seit langem bekannt», sagte er in Anspielung auf frühere Falschinformationen der CIA. Die damalige US-Regierung hatte etwa vermeintliche Belege für Massenvernichtungswaffen als Begründung für die Irak-Invasion 2003 angeführt, was sich später als falsch herausstellte.
Das Wiederaufgreifen der Laborunfall-Theorie «ist respektlos gegenüber der Wissenschaft und auch eine Störung im globalen Kampf gegen die Pandemie», fügte der chinesische Sprecher hinzu.
Facebook zensiert Theorie nicht länger
Das Online-Netzwerk Facebook kündigte angesichts der jüngsten Entwicklungen an, Behauptungen, wonach das Virus durch Menschen entstanden sei, nicht mehr von der Plattform zu löschen. Der Online-Dienst werde weiterhin mit Gesundheitsexperten zusammenarbeiten und «unsere Richtlinien regelmässig aktualisieren, wenn neue Fakten und Entwicklungen auftauchen.» Facebook geht im Rahmen seiner Kampagne gegen Desinformation auch gegen Falschbehauptungen zum Coronavirus vor.
Ein Team internationaler Experten im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte die Labor-Theorie im März als «extrem unwahrscheinlich» eingestuft. Es sei vielmehr «wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich», dass das Virus Sars-CoV-2 von einer Fledermaus über ein Zwischenwirt-Tier auf den Menschen übergegangen sei.
An dem Bericht wurden aber schnell Zweifel laut. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus (56) forderte, die Hypothese eines Laborunfalls in Wuhan weiter zu prüfen. Zahlreiche Staaten äusserten ihre Besorgnis darüber, dass den Experten bei ihrer Untersuchung in China der Zugang zu Daten verwehrt worden sei.
China verschwieg Schlüsseldetails
Ein Bericht des «Wall Street Journal» hatte Mutmassungen über einen Unfall im Institut für Virologie in Wuhan vor kurzem neuen Auftrieb gegeben. Die Zeitung berichtete am Sonntag unter Berufung auf einen US-Geheimdienstbericht, im November 2019 seien drei Mitarbeiter des Instituts so schwer erkrankt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Die ersten Corona-Infektionen waren Ende 2019 in Wuhan bekannt geworden.
China weist die Theorie eines Laborunfalls vehement zurück und wirft der US-Regierung vor, durch angebliche Verschwörungstheorien und eine Politisierung der Pandemie von den hohen Corona-Todeszahlen im eigenen Land ablenken zu wollen. (AFP/kes)