Doch können die rechtskonservativen Gegner von Präsident Nicolás Maduro wichtige Massnahmen auch mit ihrer derzeitigen Dreifünftel-Mehrheit verabschieden.
Die konstituierende Sitzung der Nationalversammlung in Caracas verlief chaotisch. Während einer hitzigen Debatte nach der Vereidigung der Abgeordneten verliessen die Anhänger Maduros das Parlament. Zeitgleich demonstrierten auf den Strassen der Hauptstadt Anhänger beider Lager.
Bei der Parlamentswahl Anfang Dezember hatten die im Oppositionsbündnis MUD (Mesa de Unidad Democrática, Tisch der demokratischen Einheit) zusammengeschlossenen Maduro-Gegner 112 der 167 Mandate gewonnen.
Sie erreichten damit knapp eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die sie benötigen würden, um Verfassungsänderungen durchzusetzen, ranghohe Richter zu ersetzen oder ein Amtsenthebungsverfahren gegen Staatschef Maduro anzustrengen.
Nach einem Einspruch von Maduros Partei der Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV) wegen angeblichen Stimmenkaufs der Opposition hob der Oberste Gerichtshof Ende des vergangenen Jahres die Wahl dreier konservativer Abgeordneter, aber auch eines Abgeordneten des damaligen Regierungslagers, auf.
Vereidigt wurden nach der umstrittenen Entscheidung des Obersten Gerichts damit zunächst nur 163 von 167 Abgeordneten. Infolgedessen verfügt die Opposition derzeit nicht über die Zweidrittel-Mehrheit. Allerdings kann sie mit ihrer Dreifünftel-Mehrheit etwa per Misstrauensvotum die Entlassung von Ministern und dem Vize-Präsidenten erzwingen.
Die MUD kündigte als eine der ersten Initiativen ein Amnestiegesetz für inhaftierter Regierungskritiker an, die sie als politische Gefangene betrachtet. «Unsere Solidarität gilt den politischen Gefangenen und den Verfolgten», sagte der Abgeordnete Omar Barboza während der konstituierenden Sitzung.
Die Ehefrau des inhaftierten Oppositionsführer Leopoldo López zeigte auf den Zuschauerrängen ein Plakat mit der Aufschrift: «Amnestie, jetzt.» Ihr Mann wurde wegen Anstiftung zur Gewalt und Verschwörung zu fast 14 Jahren Haft verurteilt. Lilian Tintori sagte: «Heute habe wir einen Schritt in Richtung Demokratie gemacht.»
Derweil trat ein Dekret des venezolanischen Präsidenten Maduro in Kraft, wonach dem Parlament die Befugnis zur Nominierung des Zentralbankchefs entzogen wird. Die Massnahme war bereits am 30. Dezember angekündigt worden und gilt als Kampfansage des Staatschefs.
Maduros PSUV hatte im Dezember in der letzten Parlamentssitzung mit eigener Mehrheit 13 der 32 Richter des Obersten Gerichtshofs ausgetauscht. Die Opposition boykottierte die Abstimmung und verurteilte das Vorgehen des Regierungslagers.