Von mehreren Seitenstrassen kommen wie aus dem Nichts Männer auf ihren Motorrädern angebraust. Vor sich schlagen sie eine Horde Menschen in die Flucht. Einige Personen werden brutal zu Boden gerissen, getreten, es fallen Schüsse. Die Szenen, versteckt gefilmt mit einer Handykamera, zeigen das skrupellose Vorgehen gegen Demonstranten von sogenannten Colectivos in Venezuela. Es sind landesweit gefürchtete Töff-Schlägertrupps – mit einer Lizenz zum Töten.
In Venezuela setzt die Regierung rund um den Staatspräsidenten Nicolas Maduro alles daran, die Macht zu erhalten und die seit Tagen anschwelenden Proteste im Land niederzuschlagen. Dabei scheint ihm jedes Mittel recht zu sein. In einer Rede hat Maduro bereits angekündigt, sein Miliz-Heer weiter massiv aufzustocken und mit Waffen auszurüsten.
Mit den Colectivos steht der Regierung aber schon lange ein brutales Instrument im Kampf gegen die Opposition auf der Strasse zur Verfügung. Das Auftreten dieser Gruppierungen erinnert an Motorrad-Gangs. Sie bestehen oft aus mehreren Dutzend bewaffneten Männern auf ihren Töffs. Im Land sind sie bekannt für Überfälle, Anschläge und gezielte Morde. Für Gegner der Regierung ist klar: Die Colectivos werden ausgerüstet und handeln im Auftrag der Sozialisten an der Spitze Venezuelas. Wer sich gegen die Landesführung stellt oder gar an Protesten teilnimmt, bekommt es mit den Bikern zu tun. Laut Medienberichten hat die Regierungspartei PSUV bereits angekündigt, 60'000 bewaffnete Motorradfahrer für die Niederschlagung der Demonstrationen bereitzustellen.
«Wir sind Revolutionäre aus Überzeugung»
Schon in den 1960er-Jahren beteiligten sich die Colectivos an politischen Unruhen im Land. Unter Maduros Vorgänger Hugo Chavez feierten die Schlägertrupps dann ihre Wiederauferstehung. Eine offizielle Verbindung zur Regierung streiten die Leader der Gruppierungen aber ab. Alberto «El Chino» Carias, der Anführer eines Colectivos, sagte vor drei Jahren in einem Interview mit der Zeitung «El Universal»: «Uns bezahlt gar niemand. Wir sind Revolutionäre aus Überzeugung.»
Sich selbst sehen Colectivos viel eher als Wächter über die Gesellschaft in Venezuela. Tatsächlich betreiben sie in vielen Orten des Landes Läden für die Bevölkerung, organisieren regelmässige Treffs in den Quartieren und stellen im Sommer ganze Ferien-Camps auf die Beine. Kommt es jedoch zu politischen Krisen, wie sie der südamerikanische Staat seit einigen Wochen wieder erlebt, richten sich die Colectivos erbarmungslos gegen die Menschen im Land.