Auf einen Blick
- Freigesprochener Vater spricht über Gefängniszeit nach Tod seines Sohnes
- Florian A. veröffentlicht Buch über Mordprozess und Ermittlungspannen
- 522 Tage in Untersuchungshaft, neun Sachverständigen-Gutachten finanziert
Die tragische Geschichte vom kleinen Leon A.* (†6) aus Tirol und seinem Vater Florian A.* (40) hat in den letzten Jahren über die Grenzen Österreichs hinaus für Aufsehen gesorgt. A. wurde beschuldigt, im August 2022 seinen geistig beeinträchtigten Sohn in den Fluss Ache in Kitzbühel gestossen und getötet zu haben. Nach 522 Tagen in Untersuchungshaft wurde er am 1. August 2024 freigesprochen.
Nun hat der Deutsche erstmals über seine Zeit im Gefängnis gesprochen und gibt gegenüber «Bild» Einblick in seine Gefühlswelt. Um die Geschehnisse zu verarbeiten, hat der Fitnesstrainer ein Buch veröffentlicht. Im Werk mit dem Titel «Der Fall Leon» schildert A., wie er den Mordprozess gegen ihn und die Ermittlungspannen der Polizei erlebt hat. Er sagt: «Man hat mich 17 Monate lang versucht, zu brechen.»
«Da ahnten wir, dass etwas schiefläuft»
Schon früh nach dem Verlust seines Sohnes habe er das Gefühl gehabt, unter Verdacht zu geraten. «Bereits bei der Tat-Rekonstruktion sagte der Ermittler lapidar, in 90 Prozent der Fälle finde man den Täter in der Familie. Als wir dann selbst am Tatort nicht gesicherte Scherben der Flasche, mit der ich niedergeschlagen wurde, zur Polizei bringen und auf noch nicht ausgewertete Überwachungsvideos aus der Tatnacht hinweisen mussten, ahnten wir, dass etwas falsch läuft.»
Laut eigener Aussage wurde der Vater von einer unbekannten Person niedergeschlagen, als er mit seinem Sohn spazieren ging. Danach wurde er ohnmächtig. Die Staatsanwaltschaft glaubte, Leons Vater habe die Attacke nur vorgetäuscht und sei selbst für den Tod seines Sohnes verantwortlich. Nachdem A.s Anwaltsteam erhebliche Vorwürfe gegen die Ermittlungsarbeit geäussert hatte, antwortete die Staatsanwaltschaft: Interpretiere die Verteidigung Ermittlungsergebnisse in ihrem Sinn, ginge es ihr offenbar darum, «bereits jetzt die späteren Richter – voraussichtlich Geschworene – zu beeinflussen».
Die Zeit in Untersuchungshaft sei für A. und die Familie extrem belastend gewesen. «Als angeblicher Kindermörder stand ich in der Hierarchie ganz unten. Ich kam in eine 5-Mann-Schutzzelle mit Vergewaltigern, mir wurde gedroht, mich abzustechen.»
Den Moment seiner Freilassung beschreibt der Freigesprochene als surreal: «Ich hatte mich auf einen Schuldspruch eingestellt, war mental darauf vorbereitet, im Gefängnis zu bleiben. Dass ich dann heimgehen durfte, war total surreal, gar nicht befreiend.»
Florian A. kämpft dafür, den «wahren Täter» zu finden
A. kämpft weiterhin mit den Nachwirkungen des Verdachts. «Es tut weh, von einem möglichen Fehlurteil zu lesen», so der Deutsche. Längst widerlegte Behauptungen, wie dass er vor der Tat gegoogelt hätte, wie man Ohnmacht simuliert, kämen immer wieder an die Oberfläche. In seinem Wohnort Waidring habe er jedoch keine negativen Reaktionen erlebt.
Trotz allem Leid bleiben die letzten gemeinsamen Momente mit seinem Sohn für A. kostbar. Er versuche sich oft, an die Tage und die Nacht vor Leons Tod zu erinnern. «Um 1.58 Uhr habe ich noch ein Video von ihm im Auto gemacht, wie lebensfroh er war.»
Beim Kampf, seine Unschuld zu beweisen, wurde A. von seiner Familie unterstützt. «Mit Ersparnissen meiner Familie und dem Verkauf unserer Immobilie haben wir neun Sachverständigen-Gutachten finanziert. Meine Frau gab sogar ihre Praxis dafür auf.» Er stellt klar: «Ich werde jetzt nicht aufhören, nach dem wahren Täter zu suchen.»
A. betont mit Nachdruck: «Ich habe meinen Sohn über alles auf der Welt geliebt und hätte ihm niemals etwas antun können.»
* Namen bekannt