Wie recht hat Donald Trump mit seiner Beschimpfung von Harris und Walz? Eine Einschätzung mit USA-Politologe Philipp Adorf
«Das linksradikalste Duo der amerikanischen Geschichte»

Donald Trump stellt Kamala Harris und Tim Walz in die linksextreme Ecke. Doch Experten wie Philipp Adorf sehen sie eher als moderate Sozialdemokraten. Die Frage ist nur: Können sie die wichtigen Stimmen in der Mitte gewinnen?
Publiziert: 10.08.2024 um 00:22 Uhr
Kamala Harris hat Minnesota-Gouverneur Tim Walz zum Vize-Kandidaten erkoren.
Foto: IMAGO/Ron Adar
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Guido FelderAusland-Redaktor

Donald Trump (78) beschimpft das Duo Kamala Harris (59) und Tim Walz (60) mit heftigen Worten: «Es ist das linksradikalste Duo in der amerikanischen Geschichte.»

Deutlich gemässigter, aber dennoch deutlich drückt sich Peter Hossli (55), Leiter der Ringier Journalistenschule und ehemaliger USA-Korrespondent, in seinem Kommentar vom Dienstag im Blick aus. Er wirft der US-Präsidentschaftskandidatin Harris vor, mit der Wahl von Minnesotas Gouverneur Tim Walz zum Vize ihren ersten Fehler gemacht zu haben. «Mit dem Ex-Soldaten und ehemaligen Lehrer Walz hat sich die als links geltende Harris einen noch linkeren Politiker an ihre Seite geholt.»

Wie links ist das Duo tatsächlich? Und wie kann es die so wichtigen Stimmen in der Mitte holen?

Laut Philipp Adorf (40), USA-Experte an der Universität Bonn und Mitautor des Buchs «Zerreissprobe für die Demokratie», repräsentieren die beiden durchaus eher den progressiven Flügel der Demokraten, der sich in den vergangenen Jahren erheblich vergrössert hat. «Dieser ist aber keinesfalls als linksextrem oder sozialistisch einzuordnen, insbesondere im Vergleich mit den Parteiensystemen anderer westlicher Demokratien», relativiert Adorf. Am ehesten könnte man sie mit europäischen gemässigten Sozialdemokraten vergleichen.

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Donald Trump schimpft Harris und Walz «das linksradikalste Duo in der amerikanischen Geschichte».
Foto: keystone-sda.ch

So hat sich Walz gewandelt

Als Senatorin galt Harris laut der unabhängigen Webseite GovTrack als liberalstes Mitglied des hundertköpfigen Gremiums. Während ihres Wahlkampfs vor vier Jahren sprach sich Harris in migrationspolitischen Fragen für – im amerikanischen Kontext – eher linke Lösungsvorschläge aus: etwa für eine staatliche Gesundheitsversorgung für irreguläre Einwanderer und für zivilrechtliche statt strafrechtliche Sanktionen für den illegalen Grenzübertritt. 

Running Mate Walz hingegen hat laut Adorf «eine beträchtliche ideologische Transformation» durchlaufen. Im Kongress unterstützte er anfänglich den Schutz der Waffenrechte, stimmte für die kontroverse Keystone-XL-Erdölpipeline aus Kanada und unterstützte eine strengere Überprüfung von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak. Auch lehnte er manche von Präsident Barack Obama (63) eingeführten umweltpolitischen Vorgaben ab. 

Seit seiner Wahl zum Gouverneur in Minnesota im Jahr 2018 hat sich Walz jedoch zum «Darling» der Linken entwickelt: Er verankerte Abtreibungsrechte gesetzlich, führte bezahlten Familienurlaub ein, legalisierte Marihuana, erlaubte undokumentierten Migranten den Führerschein und ein Gratis-Studium, verschärfte die Waffenkontrollgesetze und verabschiedete ambitionierte Klimaziele. 

Kritik an seinem liberal-progressiven Kurs konterte er mit dem Kommentar, man solle die eigenen progressiven Werte nie scheuen, denn «was für den einen Sozialismus ist, ist für den anderen Nächstenliebe». Für Adorf steht fest: «Innerhalb des Kandidatenduos hat Walz mit mehr Nachdruck eine links-progressive Politik verfolgt und geniesst im linken Flügel eine höhere Popularität als Harris.»

Dennoch auf Erfolgskurs

Doch wie können zwei linksgerichtete Kandidaten im von den Demokraten und Republikanern hart umkämpften Mittelfeld wichtige konservative Stimmen holen? Für Adorf geht es nicht nur um den Kurs allein. «Dass Harris und Walz momentan besser als Biden abschneiden, ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass sie als Persönlichkeiten erheblich mehr Enthusiasmus auslösen als der amtierende Präsident.»

Die Schlussfolgerung für Adorf lautet, dass Demokraten mit einer progressiven Politik in wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen durchaus erfolgreich sein können, wenn die passenden Akteure als Gesicht dieser Politik antreten. Adorf: «Ich erachte daher für die Wahlen eine grundlegende ideologische Justierung des Kurses Richtung Mitte nicht für zwingend.» 

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