Aus Sicht von Donald Trump (78) läuft es gut. Der republikanische Präsidentschaftskandidat erhielt diese Woche vom Konvent seiner Partei in Milwaukee vorbehaltlose Unterstützung. Von vielen Seiten erntete er nach dem Attentat auf ihn Mitgefühl. Und sein Gegner, US-Präsident Joe Biden (81), steckt mitsamt der Demokratischen Partei in der Krise.
Aktuellen Umfragen zufolge wird Trump bei den Wahlen im November mindestens 330 Wahlmännerstimmen erhalten. Nötig wären 272. Schon jetzt ist von einem Erdrutschsieg die Rede.
Mit welchen Folgen? Wie würde eine zweite Amtszeit mit Präsident Trump aussehen? Nach den Reden Trumps und des Vizepräsidentschaftskandidaten J. D. Vance (39) scheint klar: Mit Trump im Weissen Haus dürfte sich Amerika wieder isolieren.
Tonalität. Etwas fiel auf dem Parteitag auf: Der Ton von Trump und seinen Anhängern war moderater als sonst. Das ist weder zufällig noch vorübergehend, zeigt eine Recherche der «New York Times». Der Präsidentschaftskandidat habe sich entschieden, die Rhetorik zu entschärfen und allzu radikale Elemente aus seinem Umfeld zu entfernen – um damit das Zelt der Partei zu vergrössern.
Aussenpolitik. Als Trump von 2017 bis 2021 im Weissen Haus regierte, habe er China, Russland und den Iran in Schach gehalten, hiess es auf dem Parteikongress. Wegen Biden sei China nun stärker, Russland grösser und der Iran reicher. Trump will Teheran isolieren, damit es die Stellvertreter seines Regimes in Gaza, im Jemen und im Libanon nicht länger finanzieren kann. Und er verspricht, China mit neuen Zöllen handelspolitisch zu schwächen. Eine Aussage über Russland und Wladimir Putin (71) scheint verfrüht.
Verteidigung. Trump will das US-Verteidigungsbudget erhöhen. Er plant den Aufbau eines Raketenabwehrsystems nach israelischem Vorbild – und er dürfte den Druck auf die Nato-Partner erhöhen, mehr für die Verteidigung auszugeben: Für andere Länder soll Amerika keine Kriege mehr führen. Vielmehr soll die heimische Polizei zusätzliche Gelder erhalten. Trump verspricht, ein friedlicher Präsident zu werden. Er wolle keine neuen Kriege beginnen, sondern bestehende beenden – «mit einem Telefonanruf», wie er sagt. Allen voran den Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Das scheint aber nur möglich, wenn die Ukraine die von den Russen eroberten Gebiete abgibt, was sowohl Kiew als auch die Europäer ablehnen.
Aussenhandel. Und doch drohen Kriege – Handelskriege. «Made in America» ist Trumpf und zentrales Wahlkampfthema der Republikaner. Trump und Vance wollen die Produktion von Gütern aus Mexiko, China und anderen asiatischen Ländern zurück in die USA holen. Dies soll – notfalls mit hohen Zöllen – gut bezahlte US-Jobs schaffen. Ökonomen befürchten allerdings, dass die wirtschaftliche Abschottung die Inflation wieder anheizen könnte.
Wirtschaftspolitik. Trump folgt dem klassischen republikanischen Lehrbuch: niedrige Steuern, weniger Regulierung und eine geringere Staatsquote. Auch die Steuern auf Trinkgelder will er abschaffen. Es besteht die Gefahr einer höheren Verschuldung.
Energiepolitik. Trump will die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen aus arabischen Ländern verringern. Das ginge nur mit Fracking in den USA, also dem Herauspressen von Öl aus Sand und Schiefer – was teuer und belastend für die Böden ist, sich aber lohnt, wenn der Ölpreis hoch ist. Von Elektroautos hält Trump nicht viel. Ihre Entwicklung will er nicht mehr staatlich fördern. Die unter Biden beschlossene Quote für E-Fahrzeuge will er wieder abschaffen.
Immigration. Trump verspricht, die Grenzen zu bewachen und Menschen abzuschieben, die sich illegal in den USA aufhalten.
Gesellschaft. Er will Schulen und Universitäten, die kritische Rassentheorie lehren, «radikale Gender- und linke Ideologie verbreiten und Kindern sexuelle Inhalte vermitteln», die Bundesgelder streichen. Biologische Männer sollen nicht am Frauensport teilnehmen dürfen.
Umsetzung. Kann Trump all seine Pläne verwirklichen? Das hängt von den Kongresswahlen ab, die zeitgleich mit den Präsidentschaftswahlen stattfinden. Die Republikaner haben intakte Chancen, den hauchdünn von den Demokraten gehaltenen Senat zurückzuerobern und ihren Vorsprung im Repräsentantenhaus auszubauen. Gelingt dies nicht, bleibt Trump noch ein Instrument, mit dem vor allem Barack Obama (62) regierte: Executive Orders, präsidentielle Erlasse.