In der Corona-Krise war New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo (63) lange das Gegenteil des damaligen Präsidenten Donald Trump (74). Entschlossen, kompetent und mit viel Menschlichkeit managte der Politiker die tragische Lage im Krisenherd. Seine täglichen Pressekonferenzen galten als «Therapiestunde für die Bevölkerung», Joe Biden (78) adelte Cuomos Auftreten als «Gold-Standard», sogar einen Emmy erhielt der Gouverneur für seine «Führungsstärke».
Nun bekommt das Bild des bewunderten Krisen-Managers Risse. Selbst die Demokraten stellen sich gegen ihn.
Umstrittene Richtlinie zwang zur Aufnahme von Infizierten
Angefangen hat der Skandal bereits im vergangenen Jahr. Im Sommer nahm die Kritik an Cuomo zu. Der Grund: Eine Richtlinie, die Cuomo im März erlassen hatte. Sie zwang Pflegeheime im Prinzip, Bewohner aus dem Spital «zurückzunehmen» – auch wenn diese zwischenzeitlich positiv getestet wurden. Die Infektionszahlen in Pflegeheimen schnellten in die Höhe.
Damals hatte New York nach New Jersey die zweithöchste Todesrate in Alten- und Pflegeheimen. Cuomo wehrte sich gegen den Vorwurf, Pflegebedürftige nicht ausreichend geschützt zu haben. Er machte das Gesundheitspersonal verantwortlich, das Virus in die Pflegeheime eingeschleppt zu haben.
Jetzt wird bekannt: Die ohnehin schon hohe Anzahl an Todesfällen lag tatsächlich noch viel höher! Statt «nur» 8500 Pflegeheimbewohnern sind mit 15'000 tatsächlich fast doppelt so viele gestorben, wie Cuomos Behörden nun einräumen mussten.
Cuomo wehrt sich – Vorwürfe seien «Lüge»
Pflegeheimbewohner, die schlussendlich im Spital statt in ihrer Wohnstätte starben, wurden offenbar nicht mitgezählt, wenn es um Todesfälle in den Heimen ging. Hat Cuomos Regierung demnach nicht nur Bewohner von Alten- und Pflegeheimen nicht ausreichend geschützt – sondern auch noch versucht, das Versäumnis zu vertuschen?
Das sei eine «Lüge», sagte Andrew Cuomo vergangene Woche. Er verteidigt die Zählweise des US-Bundesstaates. Die herausgegebenen Daten seien nicht «falsch» gewesen. Er bedauere jedoch, nicht schnell genug Informationen zur Verfügung gestellt und «Fehlinformationen» nicht schnell genug korrigiert zu haben.
Sein Gesundheitskommissar Howard Zucker verteidigte am Freitag auch die umstrittene Richtlinie, die Pflegeheime verpflichtete, Bewohner nach einem Spitalbesuch auch dann wieder aufzunehmen, wenn sie positiv getestet wurden.
«Was wäre, wenn wir das nicht gemacht hätten? Krankenhausbetten, die Leben retteten, wären nicht verfügbar gewesen, weil sie von jemandem besetzt worden wären, der hätte entlassen werden können», sagte Zucker. «Wir haben damals die richtige Entscheidung für die öffentliche Gesundheit getroffen und würden angesichts der gleichen Tatsachen wieder die gleichen Entscheidungen treffen.» Die Entscheidung habe auf Empfehlungen der US-Gesundheitsbehörden beruht.
Drohungen gegen Abgeordneten?
Doch der Druck auf Cuomo steigt. Denn auch aus seiner eigenen Partei bekommt der noch vor einem Jahr gefeierte Gouverneur heftigen Gegenwind. Unter anderem forderte Ron Kim (41), ein lokaler Abgeordneter, den Gouverneur und seine Top-Beraterin Melissa DeRosa nach einem Hintergrund-Gespräch, in dem diese gegenüber New Yorker Parlamentariern die absichtliche «Verzögerung» der Daten-Veröffentlichung zugab um eine Untersuchung der Trump-Regierung zu verhindern, zu einer öffentlichen Entschuldigung an die Angehörigen auf. Und Cuomo reagierte offenbar dünnhäutig.
«Gouverneur Cuomo hat mich angerufen – er werde meine Karriere zerstören, wenn ich Melissa und ihre Äusserungen nicht decke. Er hat versucht, mich unter Druck zu setzen (...) und es war eine sehr traumatisierende Erfahrung», sagte der Demokrat Ron Kim vergangene Woche gegenüber «CNN». Cuomo habe ihm gesagt, er dürfe «bestimmte Grenzen nicht überschreiten» – «er könne sehr zornig werden und mich zerstören».
Demokraten wollen ihren Corona-Helden entmachten
Cuomos Büro dementiert die Vorwürfe. «Der Gouverneur hat drei Zeugen für dieses Gespräch. Die gewählten Worte waren etwa 'Ich bin auch aus Queens und die Menschen erwarten immer noch Ehre und Integrität in der Politik,'», teilte ein Cuomo-Berater mit. In einer Pressekonferenz sprach Cuomo selbst zeitgleich von einer «langen und feindlichen» Beziehung mit Kim.
Doch der lokale Abgeordnete ist nicht Cuomos einziges Problem innerhalb der Partei. Ein Gesetzesentwurf, der noch in dieser Woche im New Yorker Senat – der von den Demokraten kontrolliert wird – verabschiedet werden soll, sieht vor, dass Cuomo für künftige Exekutivverordnungen teilweise zusätzliche Genehmigungen braucht. Eine Richtlinie wie die im vergangenen März könnte er dann voraussichtlich nicht mehr ohne Zustimmung des Parlaments erlassen. Das würde seine Macht erheblich einschränken.
Die Republikaner sprechen bereits von einer Amtsenthebung. Das ist angesichts der demokratischen Mehrheit im Senat unwahrscheinlich. Allerdings will sich Cuomo, der bereits in seiner dritten Amtszeit ist, im nächsten Jahr seiner Wiederwahl stellen – ob er dafür die Partei hinter sich hat, ist angesichts der heftigen Vorwürfe aktuell fraglich.