Gestern wurde Donald Trump zum neuen US-Präsidenten gewählt. Was hat die Amerikaner dazu gebracht, einen umstrittenen Populisten zu wählen?
Dafür gibt es viele Faktoren. Primär lässt sich seine grosse Wählerschaft auf eine generelle Unzufriedenheit zurückführen. Die Menschen fühlen sich benachteiligt. Sie sehen, dass die Elite profitiert und sie selbst täglich mit finanziellen Problemen kämpfen. Deshalb sehnen sie sich nach einem politischen Richtungswechsel. Das ist paradox, denn Obama verlässt sein Amt mit dem besten Rating seit Ronald Reagan.
Eine Revolution der Protestwähler also?
So kann man das bezeichnen. Die Geschichte wiederholt sich immer wieder. Soziale Ungerechtigkeit ist das Vakuum für Populisten. Das ist nicht nur in den USA so. Es hat sich auch in England mit der Brexit-Abstimmung gezeigt. Oder zuletzt in Polen und Ungarn bei den Wahlen. Und ich denke, im nächsten Jahr werden wir dasselbe Phänomen wahrscheinlich auch in Frankreich, Holland und Deutschland sehen. In diesen Ländern machen die Populisten bereits grosse Schlagzeilen.
Woher genau kommt diese Unzufriedenheit?
In Amerika wie auch in Europa herrscht eine massive Ungleichheit zwischen Arm und Reich. Die Mittelschicht verschwindet langsam. Die Globalisierung fordert viele Verlierer. Ein grosser Teil der Bevölkerung sieht die Immigration als ein grosses Problem. Bildung wird immer teurer. Sprich, die Menschen haben grosse Zukunftsängste. Es herrscht das Gefühl, dass alles kaputtgeht.
Entsteht so die Faszination für Männer wie Trump?
Klar, das ist der Nährboden für Populisten wie Donald Trump. Er hat die richtigen Knöpfe bei den Wählern gedrückt. Mit dem Slogan «Make America great again» hat er alle Probleme der Amerikaner angesprochen. Die Menschen sehnen sich seit langem nach einer Leitfigur, die wieder alles in Ordnung bringt. Hier wiederholt sich die Geschichte. Ich will damit nicht behaupten, dass wir Verhältnisse haben wie in den Dreissiger- und Vierzigerjahren, aber es gibt Parallelen. Trotzdem: Wir leben in einer Zeit, in der die Leute das Vertrauen in politische Prozesse verloren haben. Deshalb hatte Trump, der keine politische Figur ist, so viel Unterstützung. Und Hillary Clinton, die aus dem Politfilz stammt, hatte keine Chance bei diesen Wählern.
Werden diese Protestwähler denn überhaupt von Trumps Wahl profitieren?
Ich denke, hier kommt bald die grosse Ernüchterung. Trump wird die Steuern senken. Davon profitieren wird einmal mehr die Oberschicht. Zudem wird er voraussichtlich Obamacare abschaffen. Diese hat das Leben der sozialen Unterschicht zum Teil verbessert.