Gegen 100 Millionen Menschen werden vor dem TV sitzen, wenn sich Hillary Clinton (68) und Donald Trump (70) heute Nacht im TV duellieren (BLICK berichtet ab 3 Uhr Schweizer Zeit mit einem Live-Ticker).
So viele Zuschauer zieht sonst eigentlich nur der Super Bowl vor die Schirme. Es ist die erste von drei Debatten – und sie ist wegweisend. Das Rennen um das Weisse Haus ist in Umfragen plötzlich derart knapp, dass das TV-Duell bereits eine Vorentscheidung bringen könnte.
Trumps Ghostwriter hilft Clinton aus
Clinton bereitet sich seit Wochen akribisch auf den Auftritt vor. Mit ihrem Team hat sie sich in ihrem Landhaus bei New York verschanzt, dort taucht sie in Trumps Psyche ein, stählt sich für eine untypische TV-Debatte.
Ihre Strategie: Trump aus der Fassung bringen und den Leuten zeigen, dass sein Temperament ihn für das Amt des Präsidenten disqualifiziert.
Reines spielt den Crash-Trump-Dummy
Ihr langjähriger Berater Philippe Reines spielt den Crash-Trump-Dummy, übernimmt die Rolle des Milliardärs. Als zusätzliche Verstärkung holte sich Clinton laut «Washington Post» Trumps ehemaligen Ghostwriter Tony Schwartz und Robert Wolf, den Ex-CEO der UBS in den USA, ins Team.
Schwartz gilt als einer der grössten Kritiker Trumps. Mit seinem 1987 erschienenen Bestseller «The Art of the Deal» hatte er massgeblich zu dessen Aufstieg beigetragen, bereut heute aber, das Buch verfasst zu haben. Nach Trumps Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten warnte er eindringlich vor dem «Soziopathen».
Wolf wiederum kennt den Immobilienmogul aus unzähligen Business-Sitzungen. Zudem war er bereits beim Wahlkampf von Barack Obama dabei.
Bei all ihrer Detailkenntnis über den Gegner hat Clinton ein zentrales Problem: Sie ist mehr Macherin denn Rednerin. Am Fernsehen, wo Fakten und Argumente eher zweitrangig sind, kommt sie zuweilen trocken rüber.
Nicht umsonst riet ihr Präsident Obama kürzlich, sich nicht zu sehr in Details zu verlieren und stattdessen den Leuten zu erklären, was sie antreibe, Politik zu machen.
Vorsicht: Nicht unterschätzen!
Hier kommt Trump ins Spiel. Dieser weiss sich im Fernsehen zu inszenieren – nicht zuletzt seit seiner Realitiy-TV-Show «The Apprentice» («Der Lehrling»). Auch wenn er in politischen Bereichen immer wieder schockierende Lücken offenbart, wirkt er am Schirm auf viele Amerikaner wie ein charismatischer Leader.
Und so tut Trump im Vorfeld der TV-Debatte das, was man von ihm erwartet: nicht wirklich viel. Probedurchläufe mit einem Clinton-Doppelgänger sind dem Immobilienmogul zuwider. «Ich bereite mich natürlich darauf vor, aber ich will es nicht übertreiben», sagte er bereits im Juni, «sonst ist man plötzlich nicht mehr man selbst.»
Trump gilt als notorisch undiszipliniert. Sein Briefing-Material soll er laut Medienberichten jeweils nur kurz überfliegen. Für kurze Fragen-Antwort-Spielchen will er offenbar nicht mal ein Podium benutzen.
Seine Berater befürchten, dass er die TV-Debatte unterschätzt, hat er doch noch nie 90 Minuten lang konzentriert auf Sachfragen antworten müssen. Sie halten die Erwartungshaltung tief – und bauen so Druck auf die Gegenseite aus.
Nichtsdestotrotz sollte sich Clinton davor hüten, ihren Kontrahenten zu unterschätzen. Ansonsten könnte ihr das gleiche Schicksal drohen wie Al Gore (68) im Jahr 2000. Gore ging damals ebenfalls als Favorit ins TV-Duell. Sein Gegner, George W. Bush (70), galt als ungebildet, unerfahren, ungehobelt – und gewann trotzdem.
Gore wirkte professoral, überheblich, seufzte und rollte bisweilen mit den Augen. Einmal stolzierte er zu Bush und baute sich vor ihm auf. Dieser lächelte und liess den damaligen Vizepräsidenten wie einem Rüpel aussehen.
Dies sollten ihm die Zuschauer nicht mehr verzeihen. Experten sind sich einig, dass es die TV-Duelle waren, die Gore letztlich die Präsidentschaft gekostet haben.