Das «White House Correspondents' Dinner» in Washington nennen die Amerikaner auch «Nerd Prom», also «Abschlussball der Streber»: Es ist der eine Abend im Jahr, an dem US-Polit-Journalisten selber ein bisschen im Rampenlicht stehen und der sonst so besonnene US-Präsident Pointen reissen darf, ohne dass er politische Konsequenzen fürchten muss.
Die diesjährige Ausgabe fand gestern Abend statt. Es war Barack Obamas (54) letztes Korrespondentendinner im Amt: Die Neuwahlen finden im November statt, im Januar wird sein Nachfolger – oder seine Nachfolgerin – vereidigt. Entsprechend witzig war Obamas Abgang von der Comedy-Bühne.
War Trump wegen Merkel-Beleidigungen verhindert?
Mit besonderem Genuss foppte Obama den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump (69). So «wunderte» sich Obama darüber, dass Trump die Gala schwänzte. «Es verletzt mich ein bisschen, dass er heute nicht hier ist», sagte Obama. «Beim letzten Mal hatten wir es doch so lustig zusammen!»
Dann legte er nach: «Es überrascht mich. Der ganze Saal ist voller Reporter, Prominenten und Kameras. Und er sagt Nein! Ist dieses Dinner zu geschmacklos für ‹The Donald›? Was könnte er denn sonst vorgehabt haben? Ein Trump-Steak essen? Beleidigungen an Angela Merkel vertwittern? Was tut er wohl gerade?»
Charmeur Obama
Weniger gemein war der US-Präsident zu seiner Frau Michelle (52): «Sie ist keinen Tag älter geworden. Wenn man sie auf Fotos zeitlich einordnen will, geht das nicht – dafür muss man mich anschauen.»
Auch die eigenen Parteifreunde blieben nicht verschont. Bei Vizepräsident Joe Biden etwa, gesegnet mit dem seltenen Talent, kaum ein Fettnäpfchen auszulassen, bedankte sich Obama für dessen Freundschaft – «und dafür, dass er niemandem ins Gesichts geschossen hat». Eine Anspielung auf George W. Bushs Vizepräsident Dick Cheney, der auf der Wachteljagd in Texas versehentlich eine Ladung Schrot in die Richtung eines Jagdbegleiters abfeuerte. Und traf.
Auch Bernie und Hillary kamen dran
Ein paar Gag-Salven feuerte Obama auch in die Richtung der Präsidentschaftskandidaten der Demokraten.
«Bernie, du siehst aus wie eine Million Dollar. Oder, damit du es besser verstehst, du siehst aus wie 37'000 Spenden über jeweils 27 Dollar», sagte Obama in Anspielung auf die vielen kleinen Summen an Wahlkampfspenden für den kapitalismuskritischen Bernie Sanders (74), der ebenfalls am Dinner anwesend war.
Ein paar böse Pointen riss Obama auch über Kandidatin Hillary Clinton (68): «Jetzt mal ehrlich: Wenn Hillary versucht, die Gunst der Jungwähler zu gewinnen, dann ist das ein bisschen so, wie wenn Verwandte ein Facebook-Konto eröffnen», sagte Obama. Und äffte die Ex-Aussenministerin nach: «Liebes Amerika, hast du mein Anstupsen mitbekommen? Hast dus auf Deiner Pinwand gesehen? Ich weiss nicht, ob ich das richtig mache. Liebe Grüsse, Tante Hillary.»
Vor allem aber witzelte Obama über sich selbst: Er porträtierte sich knapp neun Monate vor dem Ausscheiden aus dem Amt als ein ergrauender Mann, der auch nachts hellwach ist, weil er dann regelmässig zur Toilette muss.
Pannen-Selfie landet auf CNN
In einem Videoeinspieler kämpfte Obama zudem demonstrativ mit seiner bevorstehenden Rückkehr ins zivile Leben. Im Film findet er unter anderem das iPhone seiner Frau Michelle. «Oha, sie hat Snapchat», sagt Obama, um dann ein Selfie-Video aufzunehmen, in dem er für «Obamacare» wirbt. Blöderweise erwischt er einen Zombie-Filter – und landet mit seinem bizarren Video auf CNN.
Selbstironisch ging Obama darauf ein, dass zum Ende seiner Amtszeit seine Beliebtheitswerte gestiegen sind: «Das letzte Mal, als ich high war, versuchte ich gerade, mich für ein Hauptfach zu entscheiden», sagte er in Anspielung darauf, dass er als Student gekifft hat.
Und wer wird nächstes Jahr seine Nachfolge antreten? «Wer sie sein wird, darüber kann man nur rätseln.» Zum Abschluss seiner Rede liess Obama wie ein Showstar das Mikorofon fallen – eine Geste, die bedeutet, dass alles gesagt ist und niemand ihm Paroli bieten könnte. Dazu rief er «Obama out!». Eine Anspielung auf den eben zurückgetretenen Basketballstar Kobe Bryant, der sich mit «Mamba Out» verabschiedete. (SDA/ads)