Herr Eggers, Sie haben in der Spezialeinheit Navy Seals gedient, die in den USA als Helden gefeiert werden. Sie hatten eine Commandeursfunktion im Irak inne. Sind sie ein Held?
Jeff Eggers: Die Magie der Navy Seals besteht nicht darin, dass sie Superkräfte hätten, sondern dass sie eine eingeschworene Truppe sind, in der sich jeder auf jeden verlassen kann. Wegen einer meiner Entscheidung kamen zwei meiner Männer beinahe ums Leben. Sie wurden nur gerettet, weil andere aus meinen Team reagiert und ohne meinen Befehl gehandelt haben. Das hat mir gezeigt, wie fehlbar Anführer sind und wie effektiv führerloses Handeln sein kann. Superhelden sind ein Mythos. Heldenhafte Anführer auch.
Dieser Mythos ist aber Realität: Donald Trump und Wladimir Putin stellen sich als genau solche Führer dar.
Das ist teilweise eine globale Antwort auf globale Probleme. Die Modelle, mit denen wir gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Probleme im 20. Jahrhundert beigekommen sind, werden von den Herausforderungen der 21. Jahrhunderts überholt. Etwa von der Digitalisierung. Dadurch entsteht bei vielen Leuten Frust und Angst. Das ist eine grosse Möglichkeit für populistische Politik, die Lösungen für diese Angst anbietet. Diese psychologische Tendenz hat Trump ziemlich effektiv ausgeschlachtet.
Sind die Amerikaner anfälliger für jemanden wie Trump? Schliesslich haben die USA eine ziemlich heldenhafte Kultur – seien es Hollywood-Filme oder pathetische Reden von Politikern.
Ja, Heldentum steckt in unserer Pop-Kultur. Nicht umsonst entwickelten sich die Comic-Bücher infolge der Grossen Depression. Aber das Ergebnis der Präsidentschaftswahl lässt sich nicht auf einen Faktor reduzieren. Es war eine komplexe Dynamik.
Hätte man die nicht vorher erahnen können? Hatten Sie mit der Wahl Trumps gerechnet?
Ich war überrascht – wie viele andere Leute auch. Aber in der Rückschau kann man sehr gut sehen, wie Donald Trump die populistische Energie angezapft hat, die gegen die Globalisierung und auf Wandel ausgerichtet ist.
Sie waren Berater des damaligen Präsidenten Barack Obama. Er zapfte auch eine Energie an: Die Leute wollten damals einen Wandel, sahen in ihm einen Helden, fast schon einen Messias.
Ich glaube nicht, dass die Leute Obama als Held wahrnahmen. Eher sahen in ihm jemanden, der eine optimistische Stimmung verkörperte, als die Menschen einen Einschnitt und Dinge erneuern wollten.
Er war also kein heldenhafter Anführer?
Er hatte eher einen demütigen Führungsstil. Er fokussierte sich nicht auf seinen eigenen Fähigkeiten, sondern auf sein Team, die er mitgebracht hatte.
Was ist mit den Helden der Wirtschaft. Nehmen wir Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der von vielen verehrt wird.
Viele solcher Unternehmen profitieren von einem visionären Führungsstil – das ist ein Unterschied zum Heldentum. Viele Geschäftsführer digitaler Unternehmen gehen sicher offen damit um, dass sie Glück hatten, eine Chance in einem sich schnell ändernden Raum ergriffen zu haben und dann auf einer Welle mitgesurft zu sein. Viele dieser Leader würden zugeben, dass ihr Erfolg nicht nur auf ihnen selbst beruht, sondern auch auf den Leuten und der Umgebung um sie herum.
Auch Donald Trump scheint in diese Richtung zu gehen. Zuletzt sprach er immer wieder von einer «Bewegung», zu der er gehöre und die ihn ins Weisse Haus gebracht habe. Will Trump doch kein mehr Held sein?
Ich weiss nicht, wohin sich sein Führungsstil entwickeln wird. Aber menschliche Verhaltensmuster lassen sich nur schwer ändern – insbesondere wenn man etwas älter ist. Ich denke aber, dass sich auf der Ebene der «Bewegung» einiges tun und eine komplexe Dynamik entstehen wird. So könnten sich etwa Gegenbewegungen entwickeln.
Jeff Eggers (45) war Kommandant im Irak und später Berater von Präsident Barack Obama. Am World Web Forum referierte er über das Scheitern heroischer Führungsstile und über die Macht der Schwarmintelligenz.