Für den Fall, dass es im Herbst doch nichts wird mit der Präsidentschaft, hat Donald Trump (70) schon mal eine passende Erklärung parat: Betrug.
«Wir sollten im November vorsichtig sein, denn diese Wahl wird manipuliert», posaunte er Anfang August. Sollte ihn eine Mehrheit der US-Amerikaner verschmähen, muss ihm der Sieg gestohlen worden sein, so seine Logik. Ein Kandidat, der sich einer Wahl stellt, zweifelt schon im Vorfeld die demokratische Legitimation des Urnengangs an: Es ist ein weiterer Tiefpunkt in der kurzen politischen Biografie des Milliardärs aus New York. Doch angesichts der neusten Umfragen, in denen der Republikaner Trump abgeschlagen hinter seiner demokratischen Konkurrentin Hillary Clinton (68) liegt, scheint dies zumindest konsequent auf seiner schreierischen Linie zu liegen.
Auch wenn die Auguren recht behalten und Trump Washington, den USA und der Welt erspart bleibt, so bleibt der Schaden, den sein politisches Intermezzo angerichtet hat, bestehen – und Europa muss sein Monopol auf rechtspopulistische Volksverführer künftig teilen.
Seine Demagogie ist ein Novum in der US-Politik. Der Politiker Trump mag im November bereits wieder Geschichte sein, doch die Gründe, die ihn bis in den Vorgarten des Weissen Hauses gespült haben, reichen tief. Georg Kohler (71), emeritierter Professor für Politische Philosophie an der Uni Zürich, beobachtet die US-Präsidentschaftswahlen seit dem legendären Duell zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon im Jahr 1960. «Der Kandidat Trump steht für den Zusammenbruch der demokratischen Öffentlichkeit und die Krise der liberalen Demokratie», sagt Kohler. Trump sei ein Symbol des Zerfalls. «Ein Zerfall, der stark mit den wirtschaftlichen Problemen und Abstiegsängsten breiter Schichten zusammenhängt.» Trump sei der Kandidat, der wisse, wie er die Ängste nutzen müsse, so Kohler. «Er hetzt mit seinen aggressiven und rassistischen Botschaften die weisse Arbeiterschaft auf.»
Die Krise der Weltwirtschaft hat sich längst zu einer Krise der Demokratie ausgewachsen. Althergebrachte Grundsätze geraten ins Wanken. Der demokratische Konsens des Westens, der nach dem Zweiten Weltkrieg Gültigkeit hatte, sei brüchig geworden, erklärt Kohler. «Der politische Gegner ist nun wieder ein Feind, den es ohne Pardon zu zerstören gilt.» Das sei nicht die Sprache des politischen Streits, sondern «Bürgerkriegsrhetorik». Und die liegt global im Trend: «Die Sehnsucht nach einem starken Führer ist vielerorts zu beobachten. Recep Tayyip Erdogan in der Türkei, Wladimir Putin in Russland.»
Während der türkische Sultan und der russische Zar die Sozialen Medien gängeln, nutzt Trump diese auf seine ganz eigene Weise. Kohler: «Er kommuniziert via Twitter mit seinen Gefolgsleuten. Aber eine argumentative Auseinandersetzung mit dem Gegenkandidaten, wie sie noch vor vier Jahren im Wahlkampf zwischen dem Sozialdemokraten Barack Obama und dem Republikaner Mitt Romney üblich war, findet nicht statt.» Dadurch werde die Öffentlichkeit zersplittert, die Lager radikalisierten sich. Die laute Warnung vor einem Wahlbetrug zeigt an, dass dies so bleiben wird.