Das weisse Käppi schützt das blonde Haar vor der gleissenden Sonne. Der oberste Hemdknopf ist offen, die Krawatte bleibt im Flugzeug.
30 Grad und schwül ist es zur Mittagszeit in Miami. Und Trump verkündet in der Hitze Floridas den Untergang Amerikas. «Es ist unsere letzte Chance», schreit der republikanische Präsidentschaftskandidat. Und meint sich selbst.
Vielleicht 3000 Menschen johlen, während er die Apokalypse verkündet. «Gewinnen wir nicht, gehen die USA unter.»
Trump? Sieht sich als Retter der Nation.
Hetze durch die USA
Nonstop hetzt er von Staat zu Staat. Morgens in Iowa, mittags in Miami, nachmittags in Orlando, abends in North Carolina.
Am Hafen von Miami hat er an diesem Mittwoch das Amphitheater gemietet, sechs Tage vor dem Wahltag. Es ist zehn vor zwölf. Noch fehlt der Kandidat, der unbedingt in Florida gewinnen muss. Verliert er hier, wird er sicher nicht Präsident.
Er holt auf, liegt in einzelnen Umfragen vorne. Aber Begeisterung für Trump? Die fehlt in Miami. Viele Sitze bleiben leer, eher klein ist der Anlass in der grössten Stadt Floridas. Bescheiden aufgezogen, als müsste man aufs Geld achten. Ein Mikrofon steht auf der Bühne, hinten hängt ein Sternenbanner. Mehr nicht. Kein Star tritt neben ihm auf.
«Hillary wird total versagen»
Die Reporter sitzen eingepfercht im Publikum. Was aus Sicht Trumps durchaus Sinn macht. Nur mit handverlesenen Fans dürfen Journalisten reden.
Etwa mit Jessica Mion (18), Schweiz-Amerikanerin. Sie kam in Zürich zur Welt, ihr Vater in Lugano. Sie wählt zum ersten Mal. «Natürlich Trump», sagt die dunkelhaarige Studentin. Anwältin will sie werden. «Niemand ist besser als Trump.» Er vertrete das Volk. «Hillary setzt sich nur für Reiche ein.»
Will sie keine Frau im Weissen Haus? «Doch, aber sicher nicht Hillary», entgegnet Mion. «Gewinnt sie die Wahl, wird es 100 Jahre keine Präsidentin mehr geben.» Warum? «Sie wird total versagen.»
Trumps Frauenbild stört nicht
Neben ihr sitzt ihr Freund Enzo Cespedes (18). Er trägt ein «Hillary for Prison»-Leibchen – Hillary ins Gefängnis! «Trump ist wirklich ein Populist», sagt der Student. Wie der über Frauen spricht, stört ihn nicht. «Trump ist eben ein echter Mann, der seine Männlichkeit nicht versteckt.»
Politisch erwartet Cespedes nur eines: «Dass Trump Steuern senkt und dem Staat Geld entzieht.» Denn, sagt er, «der Staat ist korrupt».
Aus Lautsprechern dröhnen Songs der Rolling Stones. Obwohl die Briten es dem Republikaner ausdrücklich verboten haben, ihre Lieder zu spielen.
Begeisterung tönt anders
Kurz nach zwölf tritt Trump auf die Bühne. Sofort stellt er sich hinter den Teleprompter. Jedes Wort liest er ab. Ohne zu begeistern. Monotone Sprechchöre unterbrechen ihn. «Baut die Mauer, baut die Mauer!» Und, wenn Clintons Name fällt: «Sperrt sie ein, sperrt sie ein!»
Trump spricht sprunghaft. Von Syrien, der Gewalt in schwarzen Innenstädten, Clintons E-Mails. Das sei «schlimmer als Watergate» –schlimmer als der Skandal, der Richard Nixon (†81) 1974 das Präsidentenamt kostete.
Die amerikanische Demokratie? «Ein Betrug!» Richten kann es nur einer. «Wir bringen Jobs zurück», sagt Trump. «Wir machen Amerika reich und sicher.» Mit wir meint er: ich.
Applaus von schwarzer Seite
Besonders laut applaudieren ihm ein Dutzend Schwarze. «Blacks for Trump» steht auf ihren T-Shirts. «Klar wähle ich Trump, er ist gut zu uns », sagt einer. Authentisch klingt das nicht. Landesweit erhält Trump nur drei Prozent der schwarzen Stimmen. Hat ihn Trump angeheuert für die TV-Kameras? «Kein Kommentar.»
Wie eine Karikatur wirkt der Immobilien-Tycoon, wenn er Hillary als «Gaunerin» bezeichnet. Oder ihr Stehvermögen anzweifelt. «Nach den TV-Duellen war Hillary hundemüde, sie ging sofort nach Hause und schlief ein.»
Presse-Bashing
Wild gestikulierend zeigt er zum Pressebereich. «Schaut sie euch an, das sind die unehrlichsten Menschen, die es gibt, was für eine erbärmliche Bande.» Seine Anhänger schreien die vielleicht 30 Reporter nieder. «Nie war die Presse so schlecht», sagt Trump. «Buuuuuh», bellen Fans. Manchem Reporter ist unwohl. Ausgerechnet in Amerika schüchtert ein Präsidentschaftskandidat Journalisten ein.
Düster wirkt Trump in der Sonne. «Clinton will den dritten Weltkrieg», sagt er. «Wir haben noch eine Chance, das zu verhindern.» Jetzt oder nie. «Selbst jene, die Trump nicht mögen, erachten meine Bewegung als das Allergrösste, das Amerika je gesehen hat.»
Abgang zu Stones-Rock
Trump grölt. Die Fans grölen. Zum Rock der Stones tritt er ab.
Beim Ausgang wartet Bob Kunst (74) auf Kunden. Er trägt eine Clinton-Maske, verkauft «Hillary for Prison»-Shirts. Er habe stets Demokraten gewählt. «Aber jetzt wähle ich Trump, weil er nicht Hillary ist.»
Um den Hals trägt er einen Davidstern. «Ich bin Jude», so Kunst. «Clinton verschachert Jerusalem an die Terroristen.» 37 Trump-Anlässe hat er besucht.
Viele Latinos gehen an ihm vorbei. Darunter Silvia Guerra, eine Immobilienmaklerin «zwischen 50 und 60», wie sie sagt. Sie kam in Kuba zur Welt. «Ich kam legal hierher.» Sie wählt Trump, weil er «uns vor Kommunisten und Illegalen bewahrt». Auch das kann Trump.
Für einen Alleskönner aber ist der Andrang in Miami bescheiden.