Nicht nur Mitschüler hatten Angst. Sogar Lehrer fürchteten die obszöne Zunge – und seine knallharten Fäuste. Weil Donald Trump sich ständig keilte, schickten ihn seine Eltern – Mutter Schottin, Vater der Sohn deutscher Einwanderer – mit elf in eine Kadettenschule nach Upstate New York, dort, wo die Gefängnisse stehen.
Nun will der blonde Bengel von damals mächtigster Mann der Welt werden. Trump (69) kandidiert für das Weisse Haus. Wo «The Donald», wie er sich zuweilen nennt, das grösste Atomwaffen-Arsenal der Welt kontrollieren würde. Dafür prügelt er sich zwar nicht mehr. Vorlaut ist Trump noch immer. «Dumm», «schwach» und «trottelig» schimpft er politische Gegner. Er verunglimpft Frauen, Behinderte, Muslime, Mexikaner – und steigert so seine Umfragewerte. «Brächte ich einen um, würde meine Beliebtheit nicht sinken», sagte Trump. Und gewann dann die republikanischen Vorwahlen in New Hampshire, South Carolina und jetzt auch in Nevada.
Der Narzisst
Als schlechter Witz galt die Kandidatur des Baulöwen. Der letzte Egotrip des exzentrischen Egomanen. Der Blick in seine Biografie aber erzählt eine andere Geschichte – jene des Narzissten, des selbstbewussten und selbstverliebten Selbstvermarkters. Der von sich so sehr überzeugt ist, dass er auf alle Gebäude, die er baut, seinen Namen schreibt. Und zwar in Gold. Der Krawatten, Golfplätze und Casinos unter dem Label «Trump» vermarktet. Der Politikverdrossene verführt. Und vor allem: der die magische Macht des Fernsehens so gut versteht wie zuletzt Ronald Reagan (1911–2004).
Trump kam im New Yorker Stadtteil Queens zur Welt, als viertes von fünf Kindern. Vater Fred (1905–1999) baute Mietshäuser in Brooklyn, Queens und auf Staten Island. «Mein Vater gab mir meinen ersten Job, was sehr glücksverheissend war», sagte mir Trump 2005 in einem Interview. Er sei ein «grossartiges Vorbild» gewesen. «Mein Vater war ein disziplinierter Geschäftsmann mit Prinzipien.»
Disziplin nahm der Sohn an, mit den Prinzipien aber meinte er die Angst des alten Mannes vor der grossen Stadt. Fred fürchtete sich vor Manhattan. Nie baute er, wo Mafiosi die Bauarbeiter und die Verwaltung beherrschten. Anders Donald: «Mich hat Manhattan sehr angezogen. Manhattan ist das Zentrum von allem.»
Und genau dort wollte er ein Leben lang sein: im Zentrum.
Die Zeche zahlen andere
Mit geliehenem Geld baute er Ende der 70er-Jahre und in den 80er-Jahren in Manhattan, expandierte nach Las Vegas und Atlantic City, erstellte Hotels, Wohntürme und Casinos. 1982 schuf er ein erstes Chef d’Œuvre – den Trump Tower an der Fifth Avenue, ein Haus wie er selbst, zwischen Kitsch und Glamour. Die Eingangshalle ist verspiegelt. Die Farbe auch hier: Gold.
Als er letzten Juni seine Kandidatur ankündigte, fuhr Trump mit der Rolltreppe hinab in die Lobby des Trump Towers. Als wollte er zeigen: Bergauf ging es nicht immer. Zu Beginn der 90er-Jahre brachen in den USA die Immobilienpreise ein. Statt steinreich war Trump nun hochverschuldet: 3,5 Milliarden Dollar mit seinen Firmen, 900 Millionen persönlich. Es war egal, denn Trump schuldete allen viel Geld, war «too big to fail». Hätten die Banken ihn fallengelassen, hätte er sie mitgerissen. Er konnte das Geld abschreiben, die Zeche zahlten andere.
Auf 4,5 Milliarden Dollar schätzt das US-Magazin «Forbes» Trumps aktuelles Vermögen. Kein anderer Superreicher sei so sehr interessiert an der Zahl neben seinem Namen auf der Liste der Superreichen wie Trump, sagte jüngst ein «Forbes»-Redaktor zu Channel 4. Trump selbst gebe an, er habe 10 Milliarden. Was bedeutet ihm Geld? «Geld kann ein Massstab des Erfolgs sein», sagte er mir. «Mittlerweile mache ich aber Dinge nur noch um der Herausforderung willen. Ich müsste längst nicht mehr arbeiten, aber ich liebe das, was ich mache.»
Da er sich selbst besonders mag, ging er in die Medien, kaufte sich die Miss-Universe-Wahlen, schrieb über ein Dutzend Bücher. Eines – «The Art of the Deal» – stand ein Jahr auf den Bestsellerlisten. Das Comeback bescherte ihm 2004 die Reality-Show «The Apprentice». Darin spielt er sich selbst: den egomanischen Tycoon, der in jeder Folge einen Bewerber für einen Job entlässt. Trumps dazugehöriger Spruch «you’re fired» – du bist entlassen – geriet zum Markenzeichen. Die Sendung erzielte Rekordeinschaltquoten. Und Trump begriff: Er – der Rüpel aus Queens – kommt an. Er kann die Massen vor den Bildschirm ziehen. Egal ist dabei, was die Intellektuellen in den Zeitungen über ihn schreiben.
Trump hat fünf Kinder aus drei Ehen. Standesgemäss heisst der Erstgeborene Donald Junior (39). Der Jüngste, Barron, ist zehn, dessen Mutter ein Model. Trump hasst Mikroben und somit fremde Hände. «Der Handschlag ist ein barbarischer Akt», sagte er einst zu «Time».
Bereits im Jahr 2000 liebäugelte er ein erstes Mal damit, sich für das Weisse Haus zu bewerben. Auf meine Frage, ob er es irgendwann nochmals versuchen würde, meinte Trump: «Ich beabsichtige nicht, mich für das Amt des Präsidenten zu bewerben.» Aus dem Rüpel ist also ein normaler Politiker geworden: Die Worte von gestern zählen heute nichts mehr.