«Biden ist wie Trump ein Auslaufmodell»
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Vorwahlkampf der Demokraten:«Biden ist wie Trump ein Auslaufmodell»

Demokratin Miriam Spiegel (74) kritisiert den Vorwahlkampf
«Biden ist wie Trump ein Auslaufmodell»

Eine begeisterte Demokratin erklärt, wie Corona dem Vorwahlkampf schadet, was Trump fehlt – und wie Joe Biden ihr Herz doch noch gewinnen könnte.
Publiziert: 09.04.2020 um 15:14 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2020 um 17:09 Uhr
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Biden, die «sichere Wahl», hat Revoluzzer Sanders (rechts) abgehängt.
Foto: keystone-sda.ch
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Biden, die «sichere Wahl», hat Revoluzzer Sanders (rechts) abgehängt.
Foto: keystone-sda.ch
Interview: Fabienne Kinzelmann

Der Vorwahlkampf der Demokraten war heiss wie selten. Beim Super Tuesday am 3. März lief er auf Hochtouren – und auch die geborene New Yorkerin Miriam Spiegel war noch voll im Wahlkampf-Fieber. Die 74-jährige Paartherapeutin lebt in Zürich und engagiert sich bei den Democrats Abroad, den Auslandsdemokraten in der Schweiz.

Einen Monat später spricht niemand mehr vom Vorwahlkampf. Die Corona-Krise überschattet alles. Am Mittwoch warf der ultralinke Senator Bernie Sanders (78) das Handtuch, der Weg für Barack Obamas Ex-Vize Joe Biden (77) ist frei.

BLICK: Frau Spiegel, sehnen sich in der Corona-Krise alle nach einem erfahrenen Manager statt nach einem Revoluzzer?
Miriam Spiegel: Ich kenne niemanden, der sich für Biden wirklich begeistern kann. Aber er ist auf jeden Fall eine «sichere Wahl». Er hat natürlich viel politische Erfahrung. Biden ist jahrzehntelang als Senator und Vizepräsident eine wichtige Figur gewesen.

Viele vielversprechende Kandidaten – darunter Frauen und ein offen schwuler Kandidat – wollten für die Demokraten im November antreten. Was ist seit Beginn der Corona-Krise passiert?
Es herrscht ein gewisses Chaos. Die Senatoren – und das sind einige, die auch kandidiert haben – waren bis jetzt damit beschäftigt, neue Hilfspakete zu schnüren, die nicht nur Vorteile für Trumps Leute in der Industrie bringen, sondern auch den Arbeitnehmern Sicherheit geben.

Was hören Sie von Ihren Parteifreunden in den USA?
Wir sind wie alle Menschen weltweit mit dem Überlebenskampf im Moment völlig absorbiert. Ich wünschte mir, es gäbe eine Stimme, die uns vereinigt und Mut machen könnte – aber das macht weder der Präsident noch jemand von demokratischer Seite, im Gegensatz zum Bundesrat hier in der Schweiz.

Ist Biden nur wegen der Corona-Krise auferstanden wie der Phönix aus der Asche?
Nein. Ein wichtiger schwarzer Kongressabgeordneter aus dem Süden hat ihn kurz vor der Vorwahl in South Carolina empfohlen, und das hat eine gewisse Lawine ausgelöst, besonders bei der dort sehr prominenten afro-amerikanischen Wählerschaft. Sein Erfolg heute hat viel mit seiner Beziehung zu Obama zu tun. Und er hat etwas Väterliches, gibt den Menschen Sicherheit. Alle mindestens so kompetenten Kandidaten, die gegen ihn angetreten sind, sind weggefallen, weil sie zu wenig bekannt sind oder zu mutig und couragiert. Oder eben Frauen sind.

Ist Biden nicht zu alt und krank, um noch Präsident zu werden?
Das kann ich nicht beurteilen. Ich denke auf jeden Fall nicht, dass er dement ist. Sanders wirkte kämpferischer und hat sehr fortschrittliche Vorstellungen, die vor allem jüngere Menschen begeisterten. Aber beides waren wie Trump weisse, ältere Männer. Für mich ein Auslaufmodell, auch wenn ich ihre Energie bewundere. Bis vor zwei Wochen waren sie jeden Tag mit Tausenden von Menschen in Kontakt und im ganzen Land unterwegs.

Der Parteitag der Demokraten ist auf August verschoben. Es werden Rufe laut, statt Biden dort New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo als Kandidaten zu küren.
Cuomo war im Gegensatz zu seinem Vater Mario als Gouverneur von New York nie beliebt, ist jetzt aber der Gegenentwurf zu Trump als Krisenführer: entschieden, empathisch, leidenschaftlich, fordernd, unerschrocken, täglich im TV präsent. Auch er entspricht dem Bedürfnis nach einer Vaterfigur, ist aber kein «alter weisser Mann». Das spricht aus meiner Sicht für ihn.

Wie haben Sie den Vorwahlkampf erlebt?
Er hat mir gezeigt, dass alle, die demokratisch wählen, einen sehr grossen Drang haben, die aktuelle Regierung abzuwählen. Das ist ein grosser Motivator, für viele von uns von existentieller Bedeutung. So viele wichtige Aspekte der Demokratie in den USA sind in den letzten drei Jahren abgebaut oder ignoriert worden. Und es gab viele tolle Kandidaten – darunter Frauen, einen offen schwulen Kandidaten, jemand mit einem mexikanischen Hintergrund, jemand mit einem chinesischen Hintergrund. Geniale Menschen und intelligente Ideen. Kamala Harris, die leider früh ausgeschieden ist, hat mich beispielsweise sehr beeindruckt. Aber auch Elizabeth Warren, die ziemlich lang weitergekämpft hat.

Glauben Sie, dass Biden das Potenzial hat, eine echte Galionsfigur zu werden?
Er hat es, wenn er denn eine sinnvolle Vize-Präsidentin an seiner Seite hat. Und dann könnte diese Person in vier Jahren – als erste Frau – Präsidentin werden.

Biden hat ja versprochen, eine Frau als «running mate» auszuwählen. Wer wäre ihre Favoritin?
Stacey Abrams, die bei den Halbzeitwahlen als Gouverneurin für Georgia angetreten ist. Sie tritt für Menschenrechte ein, ist wahnsinnig gescheit und schlagfertig, jemand, für den ich mich sehr begeistern könnte. Oder dann Kamala Harris oder Elizabeth Warren.

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