Das meint BLICK zurTrump-Wahl
Die Strafe für Nachlässigkeit

Die Wahl von Donald Trump ist der Preis dafür, dass die US-Medien nicht nur seine Talente, sondern auch seine Skandale nicht ernst genommen haben.
Publiziert: 09.11.2016 um 08:32 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 16:27 Uhr
Grosse Überraschung: Donald Trump spricht nach dem Wahlsieg in New York vor seinen Anhängern.
Foto: KEYSTONE/EPA/SHAWN THEW
Thomas Ley
Thomas LeyBlattmacher BLICK

Wie konnte es so weit kommen?

Es ist die wichtigste Frage in diesen Stunden. Nicht nur in den USA, sondern in der ganzen westlichen Welt. Denn auch wenn wir in unserem Bedürfnis nach Normalität dazu neigen, Katastrophen zu Missgeschicken umzudeuten und Scharlatane zu verkannten Talenten – im mächtigsten Land der Welt ist nicht nur ein Unfall passiert. Eine Reihe teils jahrhundertealter Sicherungen sind durchgebrannt. 

Mit Donald Trump ist genau der Mann Präsident geworden, vor dem die Väter der amerikanischen Verfassung immer Angst hatten: der hemmungslose Populist ohne Sinn für Ausgleich und Bürgertugenden. Jetzt wird sich zeigen, ob das Check-System, das den amerikanischen Präsidenten einengt, wirklich halten wird.

Die Aussichten sind schlecht. Trump selber ist ein rachsüchtiger Mann, der seine Kandidatur wohl überhaupt erst begann, weil er von Barack Obama am Dinner der Korrespondenten vor vier Jahren so brutal verspottet wurde. Dass er zuvor dem ersten schwarzen Präsidenten die Legitimität abgesprochen hatte, spielte für ihn keine Rolle. So funktioniert er, und das konnten alle wissen, die es wollten.

Jetzt aber hat Trump nicht nur das mächtigste Amt der Welt zur Verfügung, er hat an seiner Seite auch eine republikanische Parlamentsmehrheit samt einer konservativen Hälfte des Obersten Gerichts, die seit Jahren beweist, dass Parteilichkeit ihr weit wichtiger ist als die Interessen des Landes.

Trump wird zunächst im Gericht eine rechte Mehrheit einrichten und danach freie Hand haben für ein Programm, das selbst Konservative für gefährlich halten.

  • Steuersenkungen für die Superreichen, die das Land ruinieren werden.
     
  • Die Rückkehr eines Protektionismus aus dem 19. Jahrhundert.
     
  • Ein Stopp aller Massnahmen für den Klimaschutz.
     
  • Der Versuch, Millionen von illegalen Einwanderern auszuschaffen.
     
  • Die Mauer an der Grenze zu Mexiko, die er so lange versprochen hat.

Es ist ein Katalog, der bei den Wählern im Südosten und im Rostgürtel der USA offenbar verfangen hat.

Gewiss, es war Arroganz, diesen Mann und seine so begeisterten Anhänger so krass zu unterschätzen. Es war aber auch echte und ehrliche Zurückweisung dieses Programms. «Das ist nicht Amerika», sagte nicht nur die grosse Mehrheit der Kommentatoren, sondern auch – das darf man nicht vergessen – ein grosser Teil der republikanischen Partei.

Zahlreiche konservative Meinungsmacher, die ihren Präsidenten, den beiden George Bushs und schon Ronald Reagan, stets loyal zur Seite standen, haben sich deutlich von Trump distanziert. Sie werden nicht einfach zu ihm zurückkehren können.

Wie also konnte es so weit kommen?

Womöglich hat diese breite Ablehnung gegen Trump, sein Programm und seine oberflächliche Art des Politisierens zu falscher Sicherheit geführt. Die US-Medien haben ihn und seine Vergangenheit – die Betrügereien, die zweifelhaften Konkurse, die Verachtung für Frauen und Minderheiten – links liegen lassen und stattdessen eine Wahl wie üblich geführt.

Wie sie es aus der Zeit Bill Clintons gewohnt waren: mit zwei absurd überzeichneten Skandalen um Hillary Clintons Server und Tausende letztlich unerheblicher E-Mails sowie um schlicht erfundene Bereicherungsvorwürfe gegen die Clinton-Stiftung und ihre humanitäre Arbeit.

Aber alles hatte so für die grossen Medientitel des Landes eine gewisse wohlige Vertrautheit. Es erinnerte an die alten Zeiten, an die 90er-Jahre, an Monica Lewinsky und dergleichen. Und dieser extremistische Wirrkopf, der da nebenbei noch Lärm schlug an den Versammlungen seiner Fans? Den überliess man den Komödianten und Late-Night-Shows. Denn letztlich war Donald Trump doch bloss eine Witzfigur, nicht?

Nun ist diese Witzfigur Präsident.

Der Welt ist das Lachen schlagartig vergangen. Eine Mehrheit der US-Wähler wird begeistert sein und sich bestätigt fühlen, und das ist ihr gutes Recht. Es wird sich zeigen, wie lange diese Begeisterung anhält.

Vielleicht wächst ihr Held ja im Amt und belehrt seine Kritiker abermals eines Besseren. Vielen von denen – einschliesslich dem Schreibenden – wäre das lieber, als dass ihre Befürchtungen wahr werden.

Wie kam es so weit? Vielleicht wäre die US-Wahl 2016 anders herausgekommen, hätten die Trump-Skandale dieselbe Aufmerksamkeit erhalten wie die Arbeits-Mails einer Aussenministerin. Eine Pflichtvergessenheit, deren Folgen nun die ganze Welt trägt.

Blick.ch berichtet rund um die Uhr live: Verfolgen Sie die Wahl im Live-Ticker zur US-Wahl .

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