Der Saal tobt. Es ist der dritte Abend am Parteikonvent der Republikaner in Cleveland. Tausende buhen in der Quicken Loans Arena. Nein, nicht weil sich erneut Hass auf Hillary Clinton (68) entleert. Ted Cruz (45) spricht über Freiheit. Über die Tochter eines in Dallas gefallenen Polizisten. Ja, sogar über die Rechte von Schwulen und Muslimen.
Nur etwas macht der Senator aus Texas nicht: Cruz unterlässt es, Donald Trump (70) zur Wahl ins Weisse Haus zu empfehlen. «Wählt Kandidaten, die hinter der Verfassung stehen», sagt er bloss. Trumps Name? Nennt Cruz nicht!
Und das ist brisant. Der Texaner unterlag in den Vorwahlen gegen den New Yorker. Bösartig beschimpften sich die beiden. Für Trump ist Cruz «der lügende Ted».
Dafür hat sich der Texaner nun gerächt. «Endorse Trump!» – «Endorse Trump», fordert die Menge im Saal, «empfehle endlich Trump!» Doch der weigert sich partout.
Trumps Rettungsversuch
Derweilen steht Trump hinter der Bühne. Er weiss, er muss etwas unternehmen. Mit versteinerter Miene betritt er kurz den Saal, hält seinen Daumen hoch – und zieht zumindest die TV-Kameras auf sich. Meisterhaft beweist Trump, wie gut er das Fernsehen versteht. Während ein paar Momenten lenkt er vom desavouierenden Auftritt ab.
An einem wunden Punkt trifft Cruz den Tycoon. Viele fromme Wähler trauen ihm nicht, unterstützen den Texaner. Ohne die Stimmen der Evangelikalen aber ist noch nie ein Republikaner ins Weisse Haus eingezogen.
Die Bildschirme gehen kaputt
Ohnehin ist es ein schwieriger Abend für die Republikaner. Bereits während Cruz' Rede setzt die Saal-Technik aus. Die riesigen Bildschirme beginnen zu flackern. Beim Auftritt von Trumps Sohn Eric (32) sind sie schwarz. In den oberen Rängen ist nun nicht mehr zu sehen, was unten geschieht.
Die Rede von Trump Junior geht völlig unter. Zu aufgebracht ist der Saal. «Cruz soll sich ja nie mehr hier blicken lassen», sagt ein Delegierter. «Er ist ein Verräter», meint ein anderer, «seine Karriere bei den Republikanern ist beendet».
Cruz riskierte alles. Weil er Präsident werden will. Verliert Trump im November, ist er der republikanische Favorit für 2020. Zieht Trump ins Weisse Haus, ist der Senat politisch seine letzte Station.
Eine Attacke mit 300000 toten Amerikanern
Newt Gingrich (73) gehört zu den klügsten Republikanern. Er versucht, seine Parteileute zu beruhigen. «Wenn Ted Cruz sagt, wir sollten Kandidaten wählen, die hinter der Verfassung stehen, dann kann er nur einen meinen: Donald Trump.»
Dann warnt Gingrich vor einer Terrorattacke auf US-Boden, bei der bis zu 300'000 Amerikaner sterben könnten. Trump werde das Land davor bewahren.
Viele moderate Republikaner hätten gerne ihn als Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten gesehen. Doch wie Trump ist Gingrich bereits zum dritten Mal verheiratet. Was für fromme Wähler etwas viel wäre.
Seit 31 Jahren mit der gleichen Frau verheiratet ist Mike Pence (57). Deshalb wählte ihn Trump aus fürs zweithöchste Amt im Land. «Ich bin ein Christ, ein Konservativer und ein Republikaner», stellt er sich vor. «Und zwar in dieser Reihenfolge.»
Damit will er ein hörbares Signal setzen an die Wähler im Bibelgürtel, die Trump nicht trauen. Denn Pence ist durch und durch fromm.
«Wer ist das da unten?» – «Donald Trump!» – «Wirklich?»
Der Kandidat fürs Vizeamt überrascht mit Eloquenz und Humor. Als politische Vorbilder nennt er den ermordeten Präsidenten John F. Kennedy (1917 – 1963) und den erschossenen schwarzen Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. (1929 – 1968). Vater zu sein, sei sein wichtigster Job. Und Karen Pence die Liebe seines Lebens.
Er preist Trump und verunglimpft Clinton als «Ministerin des Status Quo». Obwohl er zu lange redet, erntet er frenetischen Beifall – und einen Handschlag von Donald Trump, der kurz auf die Bühne tritt. «Wer ist das da unten?», fragt eine Frau auf den Rängen. Da der Bildschirm noch immer nicht geht, erkennt sie Trump nicht. «Donald Trump», sagt einer. «Oh, wirklich?»
Es war ein komischer Abend. Oder einfach grandioses politisches Theater.