Bucks County, Pennsylvania – der entscheidende Bezirk
Wenn Trump hier gewinnt, ist er Präsident

Wer hier, im Nordosten des Landes gewinnt, zieht ins Weisse Haus ein. Bei den Republikanern scheint die Begeisterung grösser als bei den Demokraten.
Publiziert: 07.11.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 19:34 Uhr
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Das Städtchen Doylestown im US-Staat Pennsylvania wird Zünglein an der Waage sein.
Foto: Stefan Falke
Peter Hossli (Text) und Stefan Falke (Fotos), Doylestown (USA)

Verloren wirkt das «Happy Nails and Spa»-Schild am Strassenrand. Mit «Hillary Clinton»-Plakaten ist es behangen. Längst dient das Nagelstudio als Wahlkampfbüro – als vielleicht wichtigstes der USA.

Elaine Stone stösst die Türe auf. Hellblaue Clinton-Schilder begrüssen die zierliche Frau. «Hey, wie kann ich helfen?», grüsst sie zurück.

Die Anwältin ist aus Washington D. C. nach Doylestown gereist. Vier Stunden war sie unterwegs. «Weil es jetzt um alles geht.»

Am Wochenende mobilisiert sie Wähler. «Wenn nötig bleibe ich bis Dienstag.» Bis zur Wahl. «Kleider habe ich genug dabei.»

Seit 1988 kein Republikaner mehr

Kaum ein Ort in den USA ist amerikanischer als Doylestown, in Pennsylvania. Die Altstadt ist intakt und lebendig. Ein altes Kino zeigt neue Filme. Diners servieren hervorragende Omeletten.

Es ist der Hauptort von Bucks County. Ein Bezirk, auf den morgen die ganze Welt blickt. «Hier schlägt der Puls Amerikas», sagt Politologe David Schultz. «Gewinnt Trump in Bucks County, gewinnt er in Pennsylvania. Dann ist er Präsident.»

Für Hillary Clinton (69) hingegen ist Bucks County die Brandmauer. Seit 1988 hat hier nie mehr ein Republikaner gewinnen können. Bleibt das so, siegt sie in Pennsylvania. Und zieht selbst dann ins Weisse Haus ein, wenn Trump in Ohio, North Carolina und Florida triumphieren sollte.

Bucks ist ein Swing County. Vor vier Jahren holte Barack Obama ein Prozent mehr Stimmen als Mitt Romney. Erst seit kurzem sei ihr bewusst, «wie knapp das alles wird», sagt Anwältin Stone. Deshalb geht die Grossmutter nun von Tür zu Tür und sagt allen: «Bitte geht zur Wahl.»

«Beide Kandidaten sollten sich schämen.»

Knapp 630'000 Menschen leben im Bezirk zwischen New York und Philadelphia. Im Süden Arbeiter, die eher Trump wählen. Im Norden wohlhabende Familien, die auf Clinton setzen.

Es ist acht Uhr früh und frostig. Dane und Michelle Hartung schlendern über den Markt. Er ist 51, sie 43. Salat kaufen sie und Käse. Sie betreibt ein Fitnessstudio, er eine Pharmafirma. Klug scheinen sie, wirken aufgeschlossen – und wählen Trump. «Die USA brauchen einen Geschäftsmann an der Spitze», sagt Dane Hartung.

Seine Frau wählt partout republikanisch. Widerlich findet sie aber die Feindseligkeiten während dieser Wahl. «Beide Kandidaten sollten sich schämen.»

Am Marktstand von Karen stoppen sie. Sie züchtet Alpakas und verkauft die Wolle auf dem Markt. Von «der schlimmsten Wahl meines Lebens» redet sie. «Ein Rüpel gegen eine Lügnerin.» Eigentlich sei sie ja Republikanerin, «aber aus Trumps Mund kommt nur Trash». Und Clinton? «Die wird angeklagt, wenn sie im Weissen Haus ist.»

Die Lust auf Politik ist nicht gerade gross im so wichtigen Bezirk.

An der sanft abfallenden Broad Street steht ein braunes Backsteinhaus: der Sitz der Republikaner. Studenten tragen Trump-Schilder in ein Auto. Donna Thompson krallt sich deren drei. «Amerika muss wieder stark werden, das schafft nur Trump», sagt die 47-jährige Hausfrau und Mutter.

Stört es sie nicht, wie er Frauen zu Sexobjekten degradiert? Thompson schüttelt den blondierten Kopf. Und sagt: «Würden die Männer nicht so denken wie Trump, gäbe es keine Babys mehr.»

Sie selbst sei nicht mehr ganz so attraktiv. «Aber als ich jung war, tuschelten Männer über mich, wie Trump redet.» Gestört habe sie das nie.

Amerika ist nervös. Am Vortag der Wahlen liegt Clinton knapp vor Trump. Allerdings holt er auf. «Keine Frage, Trump gewinnt», sagt Patricia Poprik, die republikanische Parteipräsidentin von Bucks County. «Trump holt Pennsylvania, dann wird er Präsident.» Ihre Begründung: «Das ist meine siebte Wahl, so enthusiastisch waren wir noch nie.»

Früher stellten Republikaner bloss Schilder im Garten auf. «Heute will jeder für Trump arbeiten.» Kostenlos. «Demokraten zahlen ihr Personal, sie sind weit weniger begeistert.»

Auf ihrem Büchergestell stehen rund 1000 Elefanten, aus Metall, aus Holz, aus Plastik. Selbst am Hals trägt sie ein Rüsseltier, das Symbol der Republikaner. Stört sie der Schlamm, den die Kandidaten werfen? «Seit vierzig Jahren mache ich Politik, das gab es immer.»

Frisch verliebt sind Corey Almasy (27) und Kelly Brown (24). Sie arbeitet auf der Bank, er im Verkauf. Sie frühstücken im Cross Keys Diner. Er wuchs in einem demokratischen Daheim auf, sie in einem republikanischen. Was ihre Beziehung nicht trübt. Wählen werden beide nicht. «Ein unerträglicher Zirkus ist das geworden», sagt sie. «Clinton traue ich nicht, Trump darf Amerika nicht repräsentieren», sagt er.

Clive und Nicole James betreten das Nagelstudio, das jetzt Wahlkampfbüro ist. Beide sind 45 Jahre alt, beide Lehrer, sie von Zweitklässlern, er von Highschool-Schülern. Sie holen Schilder ab. Zeit, etwas für Clinton zu tun, fehlt. «Wir sind nicht mehr so dabei wie bei Obama», sagt er.

Eine Aussage, die Clinton Sorgen machen sollte. Sie braucht genau das: Begeisterung. Davon haben die Republikaner in Bucks County mehr.

Plötzlich öffnet die Türe. Eine Demokratin geht vorbei, sieht die Reporter: «Glauben Sie mir, ich kenne die internen Umfragen – sie gewinnt in Pennsylvania.»

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