Ein holpriger Weg führt vorbei an Blechhütten und stinkendem Müll. Wegen Schlaglöchern kommt der Geländewagen nur langsam voran. Kinder spielen auf steil abfallenden Schotterstrassen Fangen. Nido de las Águilas heisst das Quartier in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana – Adlernest. «Einer der ärmsten Orte Mexikos», sagt Architekt und Stadtplaner René Peralta (47). Und doch zentral für die US-Wahlen. «Hier zeigt sich: Trumps Pläne sind sinnlos.»
Wie ein Fallbeil liegt eine verrostete Metallwand auf dem staubigen Boden. Es ist die Grenze zwischen Mexiko und den USA. An diesem unwegsamen Flecken endet plötzlich die Wand. «Hier zeigt sich, es ist gar nicht möglich, eine durchgehende Mauer zu bauen wie Trump sie anpreist», so Peralta. Dabei ist die Mauer entlang der mexikanisch-amerikanischen Grenze die grosse Idee von Donald Trump (70).
Peralta steht dort, wo die Wand aufhört und geht ungehindert von der mexikanischen auf die amerikanische Seite und wieder zurück. Zu befürchten hat er wenig. Peralta ist Doppelbürger, unterrichtet in Tijuana und in San Diego, Kalifornien. «Der Zaun endet, weil die Täler dahinter viel zu unwegsam sind, um dort zu bauen.»
Die Mauer: Eine Illusion
3145 Kilometer lang ist die Grenze zwischen den USA und Mexiko, sie reicht vom Pazifik bis Texas. Jedoch nur über 1078 Kilometer könnte eine Mauer errichtet werden. «Es ist technisch unmöglich, mehr zu bauen», sagt Peralta. «Flüsse, Canyons und Schluchten halten Baumaschinen und Material fern.» Entlang der Grenze gebe es mehrere Stellen wie in Nido de las Águilas, wo man problemlos zu Fuss passieren könne. «Egal, ob die Mauer kommt: illegale Grenzübertritte wird es weiterhin geben.»
Die jetzige Wand wurde aus Landeflächen für Helikopter errichtet. Die Metalle kamen 1991 im ersten Irakkrieg in der Wüste von Kuwait zum Einsatz. Just erblickt Peralta auf US-Seite eine Staubwolke: Geländewagen und Motorräder brausen zu ihm. Sie haben die Grenzübertritte beobachtet. Eine Drohne hat sie gefilmt. «Es dauert zwei Minuten, bis die Grenzwache da ist», sagt Peralta – und wechselt zurück nach Mexiko. Was er macht, ist illegal. Kaum steht er wieder in Mexiko, kehrt die Grenzwache um. 13 Milliarden Dollar im Jahr kostet die USA die Überwachung der südlichen Grenze. Die Wirkung? Bescheiden, ständig gelangen mehr Drogen in die USA. «Trump versteht diese Gegend nicht», sagt Peralta. «Sie ist ein fragiles Ökosystem.» Hinter Tijuana beginnt eine Wüste, die erst in Texas endet. «Versucht er eine Mauer zu bauen, bedroht er Tiere und Pflanzen.»
Diese Grenze überqueren täglich 30'000 Menschen. In Mexiko stehen unzählige Fabriken, in denen US-Firmen Fernseher, Waschmaschinen und Mikrowellenherde für den US-Markt herstellen lassen. Mexikaner bestellen in Kalifornien Felder, ernten Gemüse. Mexikanerinnen reinigen amerikanische Häuser.
Schnurgerade führt die Grenze von Nido de las Águilas zwanzig Kilometer zum Pazifik. Hier endet der Grenzzaun im Ozean. Bei Ebbe ist es möglich, nach Norden zu schwimmen. Keine Mauer werde jemanden davon abhalten, sagt Peralta. «Trumps Mauer ist eine Illusion.»