Welcome to Cleveland, willkommen in Cleveland. Dutzende von Freiwilligen stehen an diesem schwülwarmen Sonntagabend in kurzen Hosen und T-Shirts am Flughafen, begrüssen die eben gelandeten Besucher des Parteikonvents der Republikaner mit kaltem Wasser, einem warmen Lächeln und knallig roten Schildern.
«Wir hoffen, Sie fühlen sich bei uns wohl», sagt ein Pensionär bei der Gepäckausgabe. «Unsere Stadt ist bereit.» Rund 20000 Menschen besuchen den Parteikonvent der Republikaner, der heute um 19 Uhr Schweizer Zeit in Cleveland, Ohio, offiziell beginnt.
Doch die Stimmung in in der Stadt am Lake Erie, ja in ganz Amerika, ist angespannt. Gestern Sonntag sind in Baton Rouge, Louisiana, drei weitere Polizisten auf offener Strasse erschossen worden (BLICK berichtete). Die Flaggen in Cleveland stehen auf Halbmast. Erneut musste Präsident Barack Obama (54) einer verunsicherten Nation Trost spenden.
Gestern marschierten Demonstranten durch die Innenstadt Clevelands. Sie wollten den Parteikonvent der Republikaner noch vor Beginn stoppen.
Und die grösste Polizeigewerkschaft von Ohio fordert nach der Schiesserei in Baton Rouge, das Tragen von Waffen während den vier Parteitagen zu verbieten. Bisher hat sich der Gouverneur von Cleveland, John Kasich (64), geweigert, das Waffengesetz einzuschränken.
Zerreissprobe für die Republikaner
Es geht in Cleveland um Donald Trump (70). Er soll hier am Donnerstag mit viel Pomp offiziell zum Präsidentschaftskandidaten seiner Partei gewählt werden.
Vor allem aber geht es um die Zukunft der Partei, die einst so kolossale politische Figuren wie Abraham Lincoln, Theodore Roosevelt oder Ronald Reagan ins Weisse Haus schickte. Jetzt aber droht sie zum Sammelbecken für frustrierte weisse Männer zu werden. Zu einer Partei, der es nicht gelingt, sich dem veränderten, heute bunten Amerika anzupassen.
Zumal ihr Kandidat das Gegenteil verkörpert. Gegen Muslime wettert Trump, gegen Einwanderer aus Mexiko, gegen chinesische Arbeiter. Über Frauen macht er sich lustig.
Mit dem verbissenen Abtreibungsgegner Mike Pence (57) zieht sich Trump weiter in die erzkonservative Ecke zurück. Er hat den frommen Gouverneur von Indiana letzte Woche als Stellvertreter vorgeschlagen. Pence findet gerade mal Zuspruch bei nationalistisch gesinnten Wählern im Rostgürtel.
Schlimmes fürchten deshalb moderate Republikaner: den Niedergang zu einer Partei, die über Jahre hinweg von einer alternden Gruppe bestimmt wird und national an Einfluss verliert. Aktiv wollen sie daher in Cleveland Trumps politisches Programm zurückweisen. Latinos wollen sie ansprechen, Schwarze und Frauen. Ohne sie, das wissen etliche Republikaner, fehlt künftig die politische Basis.
Schlacht um die Seele der Partei
Trumps innerparteiliche Gegner nehmen in Cleveland eine Spaltung in Kauf, gefolgt von einer Schlappe gegen Demokratin Hillary Clinton (68) im November.
Nach den Wahlen gebe es «eine Schlacht um die Seele der Partei», sagt der Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, zur «New York Times». Er ist der einflussreichste Republikaner. «Es ist nicht unsere Aufgabe, einer schrumpfenden Gruppe zu gefallen, wir müssen neue Wähler finden.» Eine rassistische Politik führe die Republikaner «auf die Strasse der Verlierer».
Gleichwohl: Ryan, der Vorsitzende des Parteitags in Cleveland, unterstützt Trump. Aus Loyalität zur Partei.