USA-Experte über das grosse TV-Duell
«Selbst für seine Standards war Trump schlecht»

Der Politikwissenschaftler Florian Foos von der Universität Zürich gibt seine Einschätzung zu den US-Wahlen nach der ersten TV-Debatte.
Publiziert: 27.09.2016 um 15:35 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 17:06 Uhr
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Die Medien sind sich einig: Hillary Clinton hat das erste TV-Duell gewonnen.
Foto: imago
Caspar Pfrunder

BLICK: Herr Foos, die meisten Kommentatoren sehen Clinton als Gewinnerin der Debatte. Und Sie?
Florian Foos: Das sehe ich genauso. Trump war die ersten 20 Minuten ganz gut, vor allem als er über das Freihandelsabkommen NAFTA sprach. Aber dann hat man gemerkt, dass er sich relativ leicht aus der Fassung bringen lässt. Trump hat viel zu lange über Themen gesprochen, die ihm eigentlich nicht nützen können. Etwa über die Verschwörungstheorie, dass Obama nicht in USA geboren wurde. So hat er unklugerweise viel länger über seine eigenen Skandale gesprochen als über diejenigen der Clintons.

Der Politikwissenschaftler Florian Foos lehrt an der Universität Zürich
Foto: ZVG

Wie schätzen Sie den Einfluss dieses TV-Duells ein?
Von allen Debatten hat wohl immer die erste Debatte die grösste Auswirkung. Immerhin haben rund 100 Millionen Menschen zugeschaut. Aber generell sind die Folgen von solchen einzelnen Ereignissen überbewertet. Politikwissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass in der Vergangenheit nur ganz wenige Debatten einen Einfluss auf das Wahlergebnis hatten. Aber für Clinton war es sehr wichtig, das Momentum ein wenig zurückzugewinnen. Trump ist nicht K.O., hat aber nach Punkten verloren.

Worum ging es für die Kandidaten?
Bei den TV-Debatten geht es eigentlich um zwei Dinge: Die Kandidaten müssen Wechselwähler ansprechen und die eigene Basis begeistern und mobilisieren. Trump ist beides nicht gelungen. So konnte er etwa kaum über Immigration sprechen. Das Ziel für Trump hätte sein müssen, dass sich die Amerikaner ihn als Präsident vorstellen können. Im Sinne von: Schaut her, ich bin gar nicht so schlimm, wie ich in den Medien immer dargestellt werde. Das hat er nicht geschafft. Es war zwar kein riesiger Crash gestern, aber Trump blieb auf jeden Fall unter seinen Möglichkeiten.

«Er hat etwas zu verbergen»Kümmert es die Wähler überhaupt, was die beiden inhaltlich gesagt haben?
Das denke ich schon. Die 100 Millionen Zuschauer sind mehr als die Hälfte aller Wähler. Und fast alle bekommen durch die Medienberichterstattung oder zumindest über private Gespräche etwas vom TV-Duell mit. 

Hat Trump jetzt das Momentum verloren? Wie muss er reagieren?
Das ist schwierig zu sagen. In diesem Wahlkampf ist schon viel passiert, was Politikwissenschaftler nicht vorausgesagt hätten. Aber Trump muss sich definitiv besser auf die nächsten Debatten vorbereiten. Viele Beobachter meinten, die Gerüchte über seine unzureichende Vorbereitung seien Taktik oder Ablenkung. Bei der Debatte hatte ich aber schon den Eindruck, dass er sich wirklich nicht gut vorbereitet hat. Für das nächste Duell sollte er unbedingt trainieren. 

Gelten für Trump anderer Massstäbe als für «normale» Politiker?
Es scheint schon so, dass bei ihm die Messlatte ein bisschen niedriger liegt. Aber selbst bei seinen niedrigen Standards hat er gestern keine gute Figur abgegeben. Persönlich habe ich mehr erwartet. Trump hätte relativ stark sein können, wenn er länger über das Freihandelsabkommen, Immigration und Clintons Schwächen gesprochen hätte. Aber er hat viel Zeit damit verbracht, über persönliche Geschichten zu reden statt über das, was die Wähler interessiert.

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