Israels Restzeit-Uhr auf dem Palästina-Platz in Teheran tickt. Im digitalen Countdown auf der roten Leuchttafel sind es am 7. Oktober 2023 noch 6185 Tage bis zur «Zerstörung des jüdischen Volkes». Tausende Iraner ziehen an jenem Samstag in die City der Hauptstadt, besingen die bestialischen Massaker der Hamas an wehrlose israelische Zivilisten.
Mit grossem Interesse dürfte das Mullah-Regime die Ereignisse in Israel verfolgen. Der jüdische Staat will 199 Geiseln aus den Fängen der Hamas befreien, die Terrorgruppe vernichten und lässt den Gazastreifen bombardieren. Strom- und Wasserversorgung wurden zwischenzeitlich eingestellt. Das israelische Militär plant zudem den Einmarsch mit Bodentruppen und fordert die Menschen auf, sich im Süden des Sperrgebiets in Sicherheit zu bringen. Das alles sorgt für schreckliche Bilder, die den Hass gegen die Juden im arabischen Raum und weltweit schüren. «Iran hat einen klaren Vorteil von diesem Konflikt», sagt Christian Mölling (50), stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Gespräch mit Blick. «Der Krieg bremst die Annäherung Saudi-Arabiens an Israel. Das wäre eine Bedrohung gewesen für die Islamischen Republik.»
Iran und die «Achse des Widerstandes»
Der Iran ist der grösste politische Erzfeind Israels. Teheran versorgt die Terrororganisation im Gazastreifen mit Waffen, Geld und Knowhow. Seit über 40 Jahren nährt der Iran militärisch die islamistisch-schiitische Miliz Hisbollah im Libanon, die immer wieder den Norden Israels beschiesst. Die Revolutionsgarde des Obersten Führers des Irans, Ayatollah Ali Chamenei (84), hat längst pro-iranische Milizen in Syrien und im Irak mobilisiert, paktiert mit den Huthi-Rebellen im Jemen und Terrorgruppierungen in Afghanistan und Pakistan. Die vom Iran geschaffene sogenannte «Achse des Widerstandes» könnte durchaus einen Vier-Fronten-Krieg gegen Israel führen.
«Man muss auf alle Eventualitäten vorbereitet sein»
Im Nahen Osten läuten die Alarmglocken. Die USA befürchten eine Eskalation des Krieges ausgerechnet in einer Zeit, wo Russland nicht nur die Existenz der Ukraine bedroht, Nordkorea weiter atomar aufrüstet und China in Manövern die Invasion auf Taiwan probt. Wegen der angespannten Lage reist am Mittwoch auch US-Präsident Joe Biden (80) in Israel an.
Seit dem Angriff der Hamas hat das Pentagon zwei Flugzeugträger, einen Lenkwaffenkreuzer, zwei Zerstörer und ein Luftwaffengeschwader ins östliche Mittelmeer geschickt, um Feinde wie den Iran abzuschrecken. Gegenüber dem US-Sender CBS erklärt der Nationale Sicherheitsberater des Weissen Hauses, Jack Sullivan (53): «Wir können nicht ausschliessen, dass der Iran sich auf irgendeine Weise direkt einmischen wird.» Man müsse auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, so Sullivan weiter. Auch die Briten schicken Schiffe der Royal Navy vor die Küste Israels.
Christian Mölling glaubt nicht, dass der Iran in dieser Situation in den Konflikt eingreift. «Er würde nicht nur gegen Israel kämpfen, sondern auch gegen die USA und Grossbritannien. Zum jetzigen Zeitpunkt wären seine militärischen Ziele schwer durchzusetzen». Auch Walter Posch (56) von der Landesverteidigungsakademie Wien rechnet nicht damit. «Propaganda ist das eine, Krieg das andere. Der Iran kennt die Schrecken des Krieges. Er ist ein Meister der Provokation, bleibt aber stets unter der Schwelle», so der Iran-Experte gegenüber Blick.
Hisbollahs Hass auf Israel: Was den Nahost-Krieg für uns gefährlich macht«In der Region hat jeder die Hand am Abzug»
Währenddessen rasselt Irans Aussenminister weiter mit den Säbeln. Man werde nicht tatenlos zusehen, wenn Israel Hamas und Hisbollah bekämpfe, sagt Hossein Amir-Abdollahian (59) im Sender Al-Jazeera. Wenn Israel weiter Angriffe auf die wehrlose Bevölkerung des Gazastreifens fortsetze, so seine Drohung, könne er nicht garantieren, dass der Konflikt eskaliere. In der Region habe gerade jeder «die Hand am Abzug».