US-Präsident hofiert die alten Feinde Amerikas
Obamas letzte Mission

Auf seinen letzten Metern als US-Präsident kennt Barack Obama (53) keine Berührungsängste mehr. Selbst mit den Erzfeinden der Vereinigten Staaten nicht.
Publiziert: 12.04.2015 um 20:24 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 03:40 Uhr
Von Michael Spillmann

Ein lässiges Schulterklopfen hier, ein Lächeln dort. Obama auf Charmeoffensive in Lateinamerika – die letzte Mission des US-Präsidenten. Es ist sein Vermächtnis an die Latinos und Hispanics unter seinen Landsleuten. Und es wird die USA künftig prägen. Obama will die Zeitenwende mitgestalten.

Aus gutem Grund: Vor vier Jahren kamen in den Vereinigten Staaten zum ersten Mal mehr Latino- und schwarze Babys zur Welt als weisse. Demografen rechnen vor, dass in weniger als drei Jahrzehnten die Mehrheit der Weissen im Land bereits Geschichte sein könnte. Heute sind von 320 Millionen Einwohnern etwa 55 Millionen Latinos oder Hispanics. Ihr Anteil wächst rasend schnell. 2050 sollen es gegen 100 Millionen sein. Sowohl Demokraten als auch Republikaner buhlen um ihre Stimmen.

Bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2016 schon könnten sie das Zünglein an der Waage sein. Latinos aus Mexiko, Puerto Rico, Brasilien oder Kuba. Und klassische Hispanics, also spanische Nachkommen. An ihnen gibt es kein Vorbeikommen. Auch finanziell reden sie mit. Etwa die Exil-Kubaner im US-Bundesstaat Florida.

Senator Ted Cruz (44), republikanischer Bewerber für die nächste Präsidentschaft, ist der Sohn eines Kubaners. Obama, Sohn einer Amerikanerin und eines Kenianers, wird als erster schwarzer Präsident in die Geschichte eingehen. Bis zum erste Latino im berühmten Oval

Office ist es nur eine Frage der Zeit. Schon heute muten Fotos des politisch ausschliesslich weissen Amerika recht verstaubt an: Etwa Präsident John F. Kennedy († 46), der mit der First Lady Jackie († 64) Tennis spielt. Die einflussreichen Kennedys, Demokraten irischer Abstammung, prägten die Politik des Landes über Jahrzehnte. In den 60er-Jahren standen sie im Zenit ihres Einflusses.

Drei Jahrzehnte später immer noch das gleiche Bild. Zwei weisse Männer im Anzug herzen sich: Vater George Bush (90) und sein Sohn George W. Bush (68). Beide waren republikanische US-Präsidenten, stockkonservativ, Grossindustrielle und politische Hardliner.

Mit Obama kam die Wende. Auch wenn seine Projekte die Kritiker auf die Palme brachten, etwa Obamacare, das Krankenversicherungsprogramm. Obama verschonte illegale Einwanderer, die meisten aus Lateinamerika, vor der Ausschaffung. Im Ausland machte er sich für den Friedensprozess in Kolumbien stark – und er telefonierte mit Kuba.

Am Wochenende nun endlich der erlösende Handschlag mit Staatspräsident Raúl Castro (83). Obama bezeichnete das Treffen gleich selber als «historisch», Castro nannte ihn einen «Ehrenmann». Dazu kam Obamas Plauderei mit Venezuelas Staatspräsident Nicolás Maduro (52). Venezuela war in den letzten zwei Jahrzehnten Kubas Hauptsponsor. Und die Beziehungen zu den USA sind seit Jahren angespannt. Noch vor zehn Jahren wetterte Maduros Vorgänger Hugo Chávez († 58) am Amerika-Gipfel in Argentinien lautstark gegen den US-Imperialismus der Bush-Ära.

Jetzt die Annäherung der Erzfeinde. Will Obama seinen Friedensnobelpreis abverdienen? Der US-Präsident verkündet, die veränderte Kuba-Politik sei ein Wendepunkt für die ganze Region. Die Zeit der Einmischung sei vorbei. Die USA stünden in der Schuld der Lateinamerikaner. Obama will sich mit ihnen versöhnen.

Aber: Für die Demokraten geht es auch um Wähler. Viele Latinos sind vom Hoffungsträger Obama nach zwei Amtsperioden enttäuscht. Sein Kurs ist nun eine Steilvorlage für Hillary Clinton (67), die gestern ihre Kandidatur offiziell startete. Vor allem aber geht es Obama um seine Mission. Er kommt seinem Ziel am Ende etwas näher: Ein Präsident der Aussöhnung zu sein – im Innern wie im Äussern.

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