BLICK: In zwei Tagen stehen die Halbzeitwahlen an. Wie schätzen Sie die ersten knapp zwei Jahre von Donald Trump ein?
Gary Nordlinger: Ich habe noch nie einen Präsidenten erlebt, der seine Partei in kurzer Zeit so geprägt hat wie Donald Trump. Wenn sich ein Republikaner gegen ihn wendet, lassen ihn die Wähler fallen. Bestes Beispiel dafür ist Senator Jeff Flake aus Arizona. Er wagt es, Trump zu kritisieren – und muss sich nun zurückziehen, weil er keine Chance mehr auf eine Wiederwahl sieht.
Was hat Trump erreicht?
Er hat viele Wünsche der konservativen Basis erfüllt. Es ist nicht so, dass alle Trump-Wähler ihn als Person mögen. Aber sie haben Gefallen an der aktuellen Regierung und der nationalen Politik gefunden. Zudem hat Trump eine konservative Mehrheit am Obersten Gerichtshof erreicht. Dafür mögen sie ihn.
Am Dienstag muss er sich wieder den Wählern stellen. Es seien die wichtigsten Halbzeitwahlen der Geschichte, sagen beide Seiten.
Das halte ich für übertrieben. Die Midterms 2018 sind sicher eine hochemotionale Angelegenheit, für viele Demokraten und gerade für Frauen. Aber es gab schon früher wegweisende Kongresswahlen. Denken Sie an die schwere Wirtschaftskrise Ende 20er- und Anfangs 30er-Jahre oder an den Vietnamkrieg. Damals ging es auch um viel.
Eigentlich werden Kongress und Gouverneure gewählt (siehe Grafik) und nicht der Präsident. Trotzdem ist Trump sehr präsent.
Unter Donald Trump dreht sich eben alles um Donald Trump (lacht). Tatsächlich hat kaum ein Präsident je zuvor so viel in den Midterm-Wahlkampf investiert wie er. Aber das ist ja genau sein Ding. Trump liebt es, vor seinen Anhängern aufzutreten und Gegner zu attackieren.
Wie schätzen Sie seinen Wahlkampf ein?
Als äusserst effektiv. Er ging genau in jene Bundesstaaten, in denen sich Kopf-an-Kopf-Rennen abzeichnen. Sogar Senator Ted Cruz aus Texas, der Trump überhaupt nicht ausstehen kann, bat ihn um seine Hilfe. Und er war auf seine Dienste angewiesen, das sieht man nun. Denn seit Trumps Auftritt hat Cruz wieder einen komfortableren Vorsprung auf seinen Herausforderer Beto O'Rourke. Und dann ist es Trump mit der Migranten-Karawane aus Mittelamerika gelungen, das Augenmerk auf ein Thema zu legen, das viele Republikaner bewegt. Die Medien springen darauf auf und berichten über diese Flüchtlinge. Trump bestimmt die News im TV. Wie im Präsidentschaftswahlkampf 2016.
Aber gemäss Umfragen können die Demokraten trotzdem auf einen Sieg im Repräsentantenhaus hoffen.
Es scheint so. Aber das hat sich schon zu Beginn des Sommers abgezeichnet. Da war noch – gemäss der Parteifarbe der Demokraten – von einer «blauen Welle» die Rede. Ich würde sagen, Trump hat diese Welle ein bisschen abgeschwächt, weil er seine Anhänger doch noch motivieren konnte. Auch die Debatte um Supreme-Court-Richter Brett Kavanaugh hat manche republikanische Wähler aufgeweckt. Ich denke darum, dass sich der Schaden für Trump und die Republikaner in Grenzen halten wird. Aber wer weiss, am Ende werden wir vielleicht alle wieder überrascht: Wenn die Demokraten in beiden Kammern eine Mehrheit erlangen – oder gar nichts zurückerobern. Es ist knapp, alles ist möglich.
Was halten Sie eigentlich vom Wahlkampf der Demokraten?Sie haben die Gunst der Stunde genutzt und viel Spendengelder gesammelt. Lokal wurde gute Arbeit geleistet, die Demokraten waren präsenter als in vergangenen Halbzeitwahlen. Das spiegelt sich ja wieder bei den Prognosen für das Repräsentantenhaus. Die Rolle von Barack Obama sehe ich hingegen kritisch. Ich glaube nicht, dass es ihn in dieser Form gebraucht hätte. Wie Trump schaffte auch er es mit seinen Auftritten ins nationale Fernsehen. Nur spielte er damit wohl eher den Republikanern in die Hände. Der Anblick von Obama, den viele Konservative verabscheuen, dürfte sie für die Midterms motiviert haben. Die Demokraten dagegen engagieren sich dieses Jahr sowieso schon – auch ohne Obama.
Gary Nordlinger ist Politikwissenschaftler an der renommierten George Washington University in der US-Hauptstadt Washington DC. Er tritt regelmässig in den grössten amerikanischen Fernsehstationen als Experte auf.
Er lehrt an der George Washington University. Er denkt, dass die Republikaner den Schaden in Grenzen halten können.
Gary Nordlinger ist Politikwissenschaftler an der renommierten George Washington University in der US-Hauptstadt Washington DC. Er tritt regelmässig in den grössten amerikanischen Fernsehstationen als Experte auf.
Er lehrt an der George Washington University. Er denkt, dass die Republikaner den Schaden in Grenzen halten können.
Die USA wählen nicht nur alle vier Jahre den Präsidenten, sondern auch alle zwei Jahre den Kongress neu. Genauer: das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel der für sechs Jahre gewählten Senatoren (siehe Grafik). Die Partei des amtierenden Präsidenten hat es meist schwer, weil die Wähler ihr gern einen Denkzettel verpassen. Da Donald Trumps Republikaner aber auch lokal stark sind, konnten sie viele «sichere» Wahlkreise ziehen. Zudem finden fast alle Senatswahlen 2018 in konservativen Staaten statt. Trumps Partei könnte mit einem blauen Auge davonkommen.
Die USA wählen nicht nur alle vier Jahre den Präsidenten, sondern auch alle zwei Jahre den Kongress neu. Genauer: das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel der für sechs Jahre gewählten Senatoren (siehe Grafik). Die Partei des amtierenden Präsidenten hat es meist schwer, weil die Wähler ihr gern einen Denkzettel verpassen. Da Donald Trumps Republikaner aber auch lokal stark sind, konnten sie viele «sichere» Wahlkreise ziehen. Zudem finden fast alle Senatswahlen 2018 in konservativen Staaten statt. Trumps Partei könnte mit einem blauen Auge davonkommen.