Das Kawasaki-Syndrom ist das neue Schreckgespenst in der Corona-Krise. Bereits vor Wochen wurden in Italien in den Spitälern von Bergamo, Genua, Padua und Rom kleine Kinder mit Gefässentzündungen eingeliefert. Es folgten Hiobsbotschaften aus Spanien, Grossbritannien, Frankreich. Auch in der Schweiz landeten junge Patienten mit den rätselhaften Symptomen auf den Intensivstationen. In den USA sind bereits mindestens vier Kinder, drei davon im Bundesstaat New York, am Kawasaki-Syndrom gestorben.
Bislang war immer nur die Rede von Kindern und Teenagern, die sich mit der rätselhaften Entzündungskrankheit ansteckten. Doch nun mehren sich in Amerika die Fälle von jungen Erwachsenen, die in Intensivstationen eingeliefert werden. US-Ärzte schlagen deshalb am Freitag in der «Washington Post» Alarm. «Die Kinder zeigen Symptome, die eher dem traditionellen Kawasaki ähneln. Aber bei jungen Erwachsenen ist die Reaktion auf das Herz und verschiedene andere Organe besonders besorgniserregend», sagt etwa Jennifer Lighter, Ärztin für Infektionskrankheiten in New York City. Bei ihr liegen bereits mehrere Patienten Anfang 20 in der Intensivstation und kämpfen ums Überleben.
«Ärzte haben Kawasaki zuvor noch nie bei Erwachsenen gesehen»
Für Schlagzeilen sorgten zuletzt auch die Fälle eines 25-Jährigen, der auf Long Island, unmittelbar neben New York, mit dem Kawasaki-Syndrom im Spital liegt. Und ein 20-jähriger Mann in der kalifornischen Stadt San Diego, der seit Tagen im Krankenhaus gegen Kawasaki behandelt wird. Seine Ärztin Jane Burns befürchtet, dass die Krankheit bei Erwachsenen unterdiagnostiziert werden könnte. «Die Ärzte haben die Kawasaki-Krankheit noch nie zuvor bei Menschen im Alter von 20 oder 30 Jahren gesehen. Sie gehen davon aus, dass nur Kinder davon betroffen sind», sagt sie gegenüber der Zeitung.
Was die Diagnose laut Burns besonders umständlich macht: «Es ist schwieriger, einen schnellen Blick in das Herz eines Erwachsenen zu werfen, da die Brustwand dick ist und Ultraschalluntersuchungen schwieriger zu interpretieren sind.» Sie und ihre Kollegen sprechen mit Beamten des Gesundheitswesens über eine Ausweitung der Kawasaki-Warnungen auf «junge Erwachsene». «Die Ärzte müssen wissen, was da vielleicht auf sie zukommt», sagt Burns.
Kawaski könnte genetisch bedingt sein
Bereits jetzt haben 20 US-Bundesstaaten Kawasaki-Fälle verzeichnet. Tendenz in den vergangenen Tagen: steigend. Der Grossteil der Patienten haben Antikörper gegen Covid-19. Experten schliessen daraus, dass die betroffenen Personen schon Wochen zuvor infiziert wurden und die Erkrankung eine verzögerte Reaktion des Immunsystems ist.
Die Ursache von Kawasaki ist seit langem ein Rätsel. Dasselbe gilt für das Entzündungssyndrom im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus. Einige Ärzte haben die Vermutung, dass einige Menschen mit einer genetischen Veranlagung für eine überaktive Immunantwort gegen das Coronavirus geboren werden, die das Kawasaki ähnliche Syndrom letztlich auslöst.