Die Regierung in Valletta erklärte am Dienstag, dass sich vier Mitgliedsstaaten bereiterklärt hätten; zwei weitere würden eine Beteiligung prüfen. Italien, Frankreich und das Bundesland Berlin hatten Hilfe bereits in Aussicht gestellt. Allerdings kann Berlin nicht alleine darüber entscheiden.
Etwa 230 Flüchtlinge und Migranten sowie 17 deutsche Besatzungsmitglieder harrten seit Donnerstag auf dem Schiff vor Malta aus.
Die Retter waren noch zurückhaltend. «Wir sind mehr als glücklich, dass am Horizont eine Lösung für diese schändliche Scharade auftaucht«, sagte der Lifeline-Sprecher und -Mitgründer Axel Steier. Allerdings hätten sie noch kein direktes Okay für die Einfahrt bekommen. Das Motto der Helfer scheint: Wir glauben erst an unser Glück, wenn wir im Hafen sind.
Fast eine Woche auf dem Meer
Fast eine Woche lief das diplomatische Hin und Her zwischen mehreren EU-Ländern - niemand sah sich für die Bootsflüchtlinge zuständig, die vor Libyen gerettet worden waren. (Blick berichtete)
Das erlösende Signal für die Crew und die Passagiere der «Lifeline» kam dann vom italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte. Der erklärte nach einem Telefonat mit dem maltesischen Premierminister Joseph Muscat: «Das Schiff der NGO Lifeline wird in Malta anlegen.» Er hoffe, dass sich andere EU-Länder auch zur Übernahme von Migranten bereit erklären werden.
Den freiwilligen Seenotrettern selbst drohen juristische Konsequenzen. Die Regierung in Malta prüft Ermittlungen gegen den deutschen Kapitän, der bei der Rettung der Menschen Anweisungen der italienischen Behörden ignoriert habe.
Im Kern geht es um die Frage, wo und auf welche Anweisung die «Lifeline» die Flüchtlinge aufgenommen hat. Gemäss dem internationalen Seerecht müssen Schiffbrüchige gerettet und in den nächsten sicheren Hafen gebracht werden.
Die Italiener sagen, Lifeline habe die Anweisung aus Rom nicht befolgt, die Rettung der libyschen Küstenwache zu überlassen. Lifeline gibt allerdings an, dass sie die Libyer kontaktiert hätten und diese nicht geantwortet hätten - weshalb der Kapitän sich konform mit internationalem Seerecht entschieden habe, die Menschen aus der Seenot zu retten.
»Andernfalls hätte er sich (wegen unterlassener Hilfeleistung) strafbar gemacht«, sagte Ruben Neugebauer von der deutschen NGO Sea-Watch, die die Lifeline bei der Pressearbeit unterstützt. Nun würden sich vielmehr die EU-Staaten strafbar machen, weil durch die mangelnde Koordination der Tod vieler Menschen auf See in Kauf genommen werde.
Italien zieht sich zurück
Bisher hat die italienische Küstenwache die Rettungseinsätze meist koordiniert. Doch seit dem Regierungswechsel in Rom zieht die sich immer mehr zurück. Italiens Hardliner-Innenminister Matteo Salvini von der ausländerfeindlichen Lega-Partei will, dass die NGO komplett vom Meer verschwinden und Bootsflüchtlinge zurück ins Bürgerkriegsland Libyen gebracht werden.
Damit ist absehbar, dass sich ein ähnliches Schauspiel wie mit der «Lifeline» - und wie vor gut zwei Wochen mit der «Aquarius» - erneut abspielen wird.
So gaben Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée bekannt, dass Malta ihrem Rettungsschiff «Aquarius» - das vor zwei Wochen eine ähnliche Odyssee wie die «Lifeline» erlebte - die Einfahrt in den Hafen von Valletta für einen Besatzungswechsel verboten habe.
Sie steuerten jetzt nach Marseille. «Dieses Hin & Her hält uns wegen eines einfachen Port-Calls für einen längeren Zeitraum aus dem Rettungsgebiet fern», twitterte SOS Méditerranée.
1000 Flüchtlinge gestorben
In diesem Jahr sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bereits rund 1000 Flüchtlinge und Migranten auf See umgekommen. Dass die Menschen den gefährlichen Weg über das Mittelmeer nicht mehr antreten, falls es keine privaten Retter mehr gebe, halten viele für unwahrscheinlich.
Denn in Libyen sind sie Folter, Vergewaltigung und Versklavung ausgesetzt. «Sie würden eher Selbstmord begehen, als in Libyen zu bleiben«, sagte der deutsche Grünen-Abgeordnete Manuel Sarrazin nach einem Besuch auf der «Lifeline».
Italien fährt derzeit eine zweigleisige Strategie: Während die NGO als «Vize-Schlepper» gelten, dürfen Marine-, Handels- oder Küstenwache-Schiffe mit Bootsflüchtlingen anlegen. Allerdings nur mit langer Verzögerung, die für die entkräfteten Menschen an Bord zu einer weiteren Belastung werden.
So bekam das dänische Containerschiff «Alexander Maersk» erst knapp vier Tage nach der Rettung von Flüchtlingen die Erlaubnis, in Sizilien anzulegen. (Blick berichtete)
In der Nacht zu Dienstag durfte das Schiff dann in Pozzallo andocken. Da gab es dann auch eine gute Nachricht: Ein kleiner Junge wurde über eine Leiter von dem Schiff getragen - an Land durfte er seine zweijährige Schwester und Mutter wieder sehen, die bereits am Samstag als Notfall von der «Alexander Maersk» gebracht worden waren, wie der Arzt Vincenzo Morello berichtete. (SDA)
Mehr als eine Woche ist vergangen, seit die Aquarius 629 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer rettete. Noch immer sind die Menschen auf dem Schiff, darunter Kranke, Schwangere und Kinder – auf hoher See. Der Grund ist ein Entscheid des italienischen Innenministers Matteo Salvini. Er verwehrte dem Rettungsschiff Anfang der Woche, einen italienischen Hafen anzulaufen. Erst gegen Sonntagmittag wird die Aquarius deshalb vor Anker gehen: in Valencia. Spanien hat sich bereit erklärt, die Flüchtlinge aufzunehmen.
Das Gezänk darüber, wie mit ihnen umzugehen ist, wie Flüchtlinge gerecht auf die Mitgliedsländer verteilt werden, spaltet die EU. In Deutschland könnte der Asylstreit die Koalition zerreissen. Simonetta Sommaruga ist «tief besorgt» über die Entwicklung rund um die Aquarius. «Es darf nicht sein, dass Menschen in Not zum Spielball von Spannungen zwischen einzelnen Nationen werden», erklärt die Bundesrätin gegenüber SonntagsBlick. Sie stand deshalb in Kontakt mit Dimitris Avramopoulos, dem EU-Kommissar für Migration: «Ich habe ihm in Erinnerung gerufen, wie wichtig eine Reform der gemeinsamen Asylpolitik im Rahmen von Dublin ist.»
Die Weigerung Italiens, Flüchtlinge vom Schiff einer Hilfsorganisation aufzunehmen, wird kein Einzelfall bleiben. Auf Facebook schrieb Innenminister Salvini gestern, dass er der Seefuchs und der Lifeline keine Erlaubnis geben werde, einen Hafen anzusteuern. «Diese Leute sollten wissen, dass Italien diesem illegalen Einwanderungsgeschäft nicht länger Beihilfe leisten will, also werden sie sich andere, nicht-italienische Häfen zum Ansteuern suchen müssen», schreibt er.
Der Rechtspopulist Salvini hält Rettungsorganisatoren für «Schlepperbanden», die sich vor der Küste Libyens positionierten, Menschen aus seeuntüchtigen Schiffen aufnähmen und sie nach Europa chauffierten.
Auch Fabio Zgraggen (32) wäre nach Salvinis Definition ein Schlepper. Der Appenzeller Pilot hat mit Freunden die Humanitarian Pilots Initiative gegründet. Seit drei Jahren ist er an Rettungen im Mittelmeer beteiligt. Sichten die Piloten Flüchtlingsboote, geben sie die Koordinaten an Rettungsschiffe durch. Ohne Umschweife sagt Zgraggen: «Die Situation im Mittelmeer ist zurzeit desaströs.»
Seit zwei Wochen habe er da draussen so viele Flüchtlinge gesehen wie schon lange nicht mehr. Zwar kreuze auch die italienische Küstenwache im Mittelmeer und leiste einen wichtigen Teil der Arbeit. «Zurzeit aber sind extrem wenige Rettungsschiffe unterwegs.» Die Situation werde dadurch verschärft, dass die Aquarius nun nach Spanien fahren müsse, weil ihr kein Zugang zu einem italienischen Hafen gewährt wurde. Denn das bedeute, dass auch dieses Schiff eineinhalb Wochen nicht vor Ort ist, niemanden retten kann.
Zraggen weiss, wohin das führt. Zu oft musste er es aus dem Cockpit seiner Maschine mitansehen: Menschen treiben auf untergehenden Booten in den Wellen. Zwar könnten er und sein Team dann die Koordinaten der Ertrinkenden durchgeben. Doch nicht immer seien Rettungsschiffe in der Nähe, und auch sonst niemand, der helfen kann.
Allein in diesem Jahr ertranken bereits 800 Flüchtlinge bei dem Versuch, übers Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Zgraggen: «Mir fällt es schwer zu verstehen, warum Menschen sterben müssen, einzig weil der politische Wille fehlt. Denn die Mittel für die Rettung wären vorhanden.»
Doch warum sind er und sein Team überhaupt ehrenamtlich über dem Mittelmeer unterwegs? Vor drei Jahren wurde Zgraggens bester Freund Vater – und er Götti eines Jungen. Die beiden lasen von den vielen Ertrunkenen und fragten sich, was sie dem Kleinen einmal antworten würden, wenn er fragt, was sie getan hätten damals – als Tausende im Mittelmeer starben. «Das war der Auslöser», sagt Zgraggen. Denn mit dem Privileg, in einem Land wie der Schweiz geboren worden zu sein, sei auch eine Verantwortung verknüpft. Also machten sie sich auf den Weg.
Mehr als eine Woche ist vergangen, seit die Aquarius 629 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer rettete. Noch immer sind die Menschen auf dem Schiff, darunter Kranke, Schwangere und Kinder – auf hoher See. Der Grund ist ein Entscheid des italienischen Innenministers Matteo Salvini. Er verwehrte dem Rettungsschiff Anfang der Woche, einen italienischen Hafen anzulaufen. Erst gegen Sonntagmittag wird die Aquarius deshalb vor Anker gehen: in Valencia. Spanien hat sich bereit erklärt, die Flüchtlinge aufzunehmen.
Das Gezänk darüber, wie mit ihnen umzugehen ist, wie Flüchtlinge gerecht auf die Mitgliedsländer verteilt werden, spaltet die EU. In Deutschland könnte der Asylstreit die Koalition zerreissen. Simonetta Sommaruga ist «tief besorgt» über die Entwicklung rund um die Aquarius. «Es darf nicht sein, dass Menschen in Not zum Spielball von Spannungen zwischen einzelnen Nationen werden», erklärt die Bundesrätin gegenüber SonntagsBlick. Sie stand deshalb in Kontakt mit Dimitris Avramopoulos, dem EU-Kommissar für Migration: «Ich habe ihm in Erinnerung gerufen, wie wichtig eine Reform der gemeinsamen Asylpolitik im Rahmen von Dublin ist.»
Die Weigerung Italiens, Flüchtlinge vom Schiff einer Hilfsorganisation aufzunehmen, wird kein Einzelfall bleiben. Auf Facebook schrieb Innenminister Salvini gestern, dass er der Seefuchs und der Lifeline keine Erlaubnis geben werde, einen Hafen anzusteuern. «Diese Leute sollten wissen, dass Italien diesem illegalen Einwanderungsgeschäft nicht länger Beihilfe leisten will, also werden sie sich andere, nicht-italienische Häfen zum Ansteuern suchen müssen», schreibt er.
Der Rechtspopulist Salvini hält Rettungsorganisatoren für «Schlepperbanden», die sich vor der Küste Libyens positionierten, Menschen aus seeuntüchtigen Schiffen aufnähmen und sie nach Europa chauffierten.
Auch Fabio Zgraggen (32) wäre nach Salvinis Definition ein Schlepper. Der Appenzeller Pilot hat mit Freunden die Humanitarian Pilots Initiative gegründet. Seit drei Jahren ist er an Rettungen im Mittelmeer beteiligt. Sichten die Piloten Flüchtlingsboote, geben sie die Koordinaten an Rettungsschiffe durch. Ohne Umschweife sagt Zgraggen: «Die Situation im Mittelmeer ist zurzeit desaströs.»
Seit zwei Wochen habe er da draussen so viele Flüchtlinge gesehen wie schon lange nicht mehr. Zwar kreuze auch die italienische Küstenwache im Mittelmeer und leiste einen wichtigen Teil der Arbeit. «Zurzeit aber sind extrem wenige Rettungsschiffe unterwegs.» Die Situation werde dadurch verschärft, dass die Aquarius nun nach Spanien fahren müsse, weil ihr kein Zugang zu einem italienischen Hafen gewährt wurde. Denn das bedeute, dass auch dieses Schiff eineinhalb Wochen nicht vor Ort ist, niemanden retten kann.
Zraggen weiss, wohin das führt. Zu oft musste er es aus dem Cockpit seiner Maschine mitansehen: Menschen treiben auf untergehenden Booten in den Wellen. Zwar könnten er und sein Team dann die Koordinaten der Ertrinkenden durchgeben. Doch nicht immer seien Rettungsschiffe in der Nähe, und auch sonst niemand, der helfen kann.
Allein in diesem Jahr ertranken bereits 800 Flüchtlinge bei dem Versuch, übers Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Zgraggen: «Mir fällt es schwer zu verstehen, warum Menschen sterben müssen, einzig weil der politische Wille fehlt. Denn die Mittel für die Rettung wären vorhanden.»
Doch warum sind er und sein Team überhaupt ehrenamtlich über dem Mittelmeer unterwegs? Vor drei Jahren wurde Zgraggens bester Freund Vater – und er Götti eines Jungen. Die beiden lasen von den vielen Ertrunkenen und fragten sich, was sie dem Kleinen einmal antworten würden, wenn er fragt, was sie getan hätten damals – als Tausende im Mittelmeer starben. «Das war der Auslöser», sagt Zgraggen. Denn mit dem Privileg, in einem Land wie der Schweiz geboren worden zu sein, sei auch eine Verantwortung verknüpft. Also machten sie sich auf den Weg.