Der Vorschlag gilt als Zugeständnis an Länder wie Deutschland und Frankreich. Umgehend kam Kritik von Umweltschützern. Die Kommission untergrabe ihre eigenen Klimaziele, so die Deutsche Umwelthilfe. Atomkraft und Erdgas als nachhaltig zu kennzeichnen, sei nicht glaubwürdig.
Konkret sieht der Vorschlag vor, dass vor allem in Frankreich geplante Investitionen in neue Akw als grün klassifiziert werden können, wenn die Anlagen neuesten Technik-Standards entsprechen und ein konkreter Plan für eine Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle spätestens 2050 vorgelegt wird. Zudem ist als Bedingung vorgesehen, dass die neuen Anlagen bis 2045 eine Baugenehmigung erhalten. Der Text liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen insbesondere auf Wunsch Deutschlands übergangsweise ebenfalls als grün eingestuft werden können. Dabei soll zum Beispiel relevant sein, wie viel Treibhausgase ausgestossen werden. Für Anlagen, die nach 2030 genehmigt werden, wären nur noch bis zu 100 Gramm sogenannte CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde Energie erlaubt - gerechnet auf den Lebenszyklus.
Die Einstufung von Wirtschaftstätigkeiten durch die EU-Kommission soll Anleger in die Lage versetzen, ihre Investitionen auf nachhaltigere Technologien und Unternehmen umzustellen, und so wesentlich zur Klimaneutralität Europas bis 2050 beitragen. Ob Gas und Atomkraft als Teil der sogenannten Taxonomie als klimafreundlich gelten sollten, ist unter den EU-Staaten jedoch umstritten.
So ist zum Beispiel Deutschland gegen die Aufnahme von Atomkraft, sieht allerdings die Stromerzeugung aus Gas als notwendige Übergangstechnologie. Für Länder wie Frankreich ist hingegen die Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft.
Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) kommentierte: «Es hätte aus unserer Sicht diese Ergänzung der Taxonomie-Regeln nicht gebraucht.» Die «Hochrisikotechnologie» Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren, sei falsch. Dies verstelle den Blick auf die langfristigen Auswirkungen für Mensch und Umwelt. Der Atommüll werde die EU über Jahrhunderte belasten.
Die Einbeziehung von Gas bezeichnete Habeck als «fraglich». Immerhin mache die Kommission klar, dass Gas aus fossilen Brennstoffen nur ein Übergang sei und durch grünen Wasserstoff ersetzt werden müsse. So müssten neue Gaskraftwerke schon jetzt auf Wasserstoff ausgerichtet werden. Von 2035 an seien sie mit grünem Wasserstoff oder kohlenstoffarmem Gas zu betreiben.
Deutlich kritischere Stimmen kamen aus dem EU-Parlament. Damit zerstöre Kommissionschefin Ursula von der Leyen die Glaubwürdigkeit des europäischen Ökosiegels für Finanzinvestitionen, kommentierte der deutsche Abgeordnete Michael Bloss (Grüne). Atomkraft und Erdgas auf eine Stufe mit Sonnen- und Windkraft zu stellen, verhöhne die Erfolge im Klimaschutz und bremse die Energiewende. Statt Geld in die Solar- und Windbranche zu leiten, würden alte und extrem kostspielige Geschäftsmodelle weitergeführt.
Die EU-Kommission verteidigte ihren Vorschlag. Damit könnten sich die Mitgliedstaaten von sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen in Richtung des gemeinsamen Ziels der Klimaneutralität bewegen, hiess es aus der Behörde. Daher könnten auch Lösungen sinnvoll sein, die auf den ersten Blick weniger «grün» erschienen. So könnten Investitionen in Erdgas und Kernenergie einen Beitrag leisten, den Wechsel zu Energiequellen mit geringeren Emissionen zu beschleunigen.
Die EU-Mitgliedstaaten haben nun bis 12. Januar Zeit, den Entwurf zu kommentieren. Seine Umsetzung kann nur verhindert werden, wenn sich mindestens 20 EU-Staaten zusammenschliessen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten, oder mindestens 353 Abgeordnete im EU-Parlament. Dies gilt als unwahrscheinlich, da sich neben Deutschland lediglich Länder wie Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal klar gegen eine Aufnahme der Atomkraft aussprechen.
Habeck teilte lediglich mit: «Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht.» Von einem Engagement gegen den Kommissionsvorschlag war nicht die Rede.
(SDA)