Seit mehr als acht Monaten tobt der Krieg im Gazastreifen, der über 37'000 Tote und eine humanitäre Krise zur Folge hat. Ein von US-Präsident Joe Biden vorgestellter, mehrstufiger Plan für eine Gaza-Waffenruhe wurde nun vom Uno-Sicherheitsrat angenommen. Der Entschluss ist völkerrechtlich bindend. Da Israel und die Hamas in dem Krieg komplett entgegengesetzte Ziele verfolgen, ist eine Umsetzung des Plans trotzdem weiter ungewiss.
Was sieht der Plan vor?
Der von Biden Ende Mai vorgestellte Entwurf eines Deals sieht zunächst eine Waffenruhe von sechs Wochen vor, die aber verlängert wird, sollten Verhandlungen zwischen der Hamas und Israel länger anhalten. In dieser Phase würde eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden palästinensische Gefangene freikommen.
In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. Israel wird sich zudem vollständig aus dem Gazastreifen zurückziehen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge dann der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.
Was hat Israel zu dem Biden-Plan gesagt?
US-Repräsentanten haben mehrmals erklärt, Israel habe dem Biden-Plan zugestimmt, die Hamas dagegen nicht. Blinken sagte am Dienstag, der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu habe bei einem Treffen in Jerusalem seine Unterstützung für den Plan bekräftigt. Eine klare öffentliche Zustimmung zum Plan gab es aber bislang von Netanyahus Regierung nicht.
Ein israelischer Regierungsvertreter sagte am Dienstag lediglich, der Entwurf widerspreche nicht den Kriegszielen Israels. «Israel wird den Krieg nicht beenden, bevor alle seine Kriegsziele erreicht sind: die Zerstörung der militärischen und Regierungsfähigkeiten der Hamas, die Freilassung aller Geiseln und die Gewährleistung, dass Gaza für Israel künftig keine Bedrohung darstellen wird», sagte er. «Der Vorschlag ermöglicht es Israel, diese Ziele zu erreichen, und Israel wird dies tatsächlich tun.»
Nach der Veröffentlichung des Plans hatte Netanyahu vor einer Woche nach Angaben seines Büros gesagt: «Die Behauptung, dass wir einer Waffenruhe zugestimmt haben, ohne dass unsere Bedingungen erfüllt werden, ist nicht richtig.» In der neuen Resolution heisst es jedoch, Israel habe den Plan akzeptiert. Sie fordert die Hamas auf, dies ebenfalls zu tun.
Warum äussert Israel sich nicht eindeutig zum Biden-Plan?
Netanyahus rechtsextreme Koalitionspartner haben mit dem Sturz der Regierung gedroht, sollte Israel das Abkommen umsetzen. Sie sehen die Vereinbarung als Kapitulation vor der Hamas. Das politische Überleben Netanyahus, gegen den seit Jahren ein Korruptionsprozess läuft, hängt von diesen Partnern ab.
Was sagt die Hamas?
Die Position der Hamas ist seit Monaten konstant. Sie fordert ein vollständiges Ende des Krieges als Bedingung für einen Geisel-Deal. Die islamistische Organisation begrüsste die Resolution des Sicherheitsrats und bekräftigte den Willen, die indirekten Verhandlungen für eine Übereinkunft fortzuführen. Die positive Reaktion schien jedoch keine formelle Annahme des Plans darzustellen.
Die Hamas bekräftigte nach der Uno-Entscheidung die Ziele einer dauerhaften Waffenruhe, eines vollständigen Abzugs israelischer Truppen und eines Wiederaufbaus des Küstenstreifens. In einer Mitteilung am Dienstag nannte die Organisation als weitere Ziele ein Ende der israelischen Besatzung und die Einrichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt, mit einem Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge.
Der Uno-Sicherheitsrat hatte in der Resolution auch das Festhalten an der Vision einer Zweistaatenlösung bekräftigt, bei der Israel und die Palästinenser friedlich nebeneinander leben können. Dafür sei es wichtig, das Westjordanland und den Gazastreifen wieder unter der Führung der palästinensischen Autonomiebehörde zu vereinen. Israel lehnt eine solche Lösung ab.
Was bedeutet eine Resolution in der Praxis?
Im Gegensatz zu anderen Gremien der Vereinten Nationen sind die Beschlüsse des Sicherheitsrats völkerrechtlich bindend. Das bedeutet, dass sie für alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen rechtlich verpflichtend sind und umgesetzt werden müssen.
Der Sicherheitsrat hat die Autorität, Massnahmen zu ergreifen, um den internationalen Frieden und die Sicherheit zu wahren. Dies kann Sanktionen unter anderem auf wirtschaftlicher Ebene, Waffenembargos oder sogar militärische Massnahmen umfassen. Dass die internationale Gemeinschaft in den blutigen Konflikt ohne Zustimmung Israels militärisch eingreift, gilt jedoch als praktisch ausgeschlossen.