Fast 26 Jahre warteten die Opferangehörigen auf Gerechtigkeit. Der bosnisch-serbische Ex-General Ratko Mladic (78) ist einer der Haupttäter der Gräueltaten im Bosnien-Krieg mit etwa 100'000 Toten und Millionen Vertriebenen. Zu seinen Verbrechen gehört auch der Völkermord von Srebrenica. Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verurteilte Mladic 2017 in erster Instanz zu lebenslanger Haft. Nun hatten am Dienstag die Berufungsrichter das letzte Wort – und sprachen Mladic in zweiter und letzter Instanz schuldig. Somit wird Mladic für den Rest seines Lebens weggesperrt.
Carla Del Ponte (74) hat als Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals zwischen 1999 und 2007 die Ermittlungen gegen Mladic massgeblich vorangetrieben. «Ich habe eine Bestätigung des Urteils natürlich erwartet», sagt Del Ponte zu Blick. «Denn ich weiss, welche Beweise wir hatten. Aber es ist sehr gut, dass er jetzt definitiv lebenslänglich ins Gefängnis gesteckt wird und wirklich bis zum Tode da bleiben wird. Diese Gerechtigkeit ist für die Angehörigen der Opfer, die Frauen von Srebrenica, sehr wichtig.»
«Viel Arbeit abgefordert»
Unter dem Befehl von Mladic überrannten serbische Truppen im Juli 1995 die UN-Schutzzone in Srebrenica. Die niederländischen Blauhelme und die Nato-Luftwaffe griffen nicht ein. Die serbischen Soldaten ermordeten rund 8000 muslimische Männer und Buben.
Mladic wurde erst nach Del Pontes Zeit als Chefanklägerin und 16 Jahre nach Kriegsende verhaftet. 2011 wurde er dem Kriegsverbrechertribunal übergeben. «Wir haben lange ermittelt und Beweise gesammelt», sagt Del Ponte. «Wir mussten immer wieder diese Beweise vorlegen, dass es Völkermord war. Das haben wir sehr konsequent durchgezogen. Das hat uns und den Opferangehörigen viel Arbeit abgefordert.»
Er forderte einen Freispruch
Im März 2019 wurde bereits der politische Gefährte von Mladic, Serbenführer Radovan Karadzic (75), endgültig zu lebenslanger Haft verurteilt. Mladic selbst erwartete im Berufungsprozess einen Freispruch. Er habe nur seine Pflicht getan, beteuerte er stets. «Ich bin kein Heiliger, ich bin nur ein einfacher Mann», sagte er in seinem Schlusswort im vergangenen Jahr. «Das Schicksal hat mich in die Lage versetzt, mein Land zu verteidigen, das von westlichen Mächten zerstört wurde.» Das UN-Gericht bezeichnete er als Sprachrohr des Westens.
Für das Gericht war klar, Mladic und Karadzic hätten einen «ethnisch reinen serbischen Staat» zum Ziel gehabt. Del Ponte beklagt, dass der Wille, konsequent gegen Kriegsverbrecher vorzugehen, zunehmend fehle. Darum gehe es auch in ihrem soeben erschienenen Buch «Ich bin keine Heldin». «Das tut mir sehr leid», sagt Del Ponte. «Denn meine Mitarbeiter und ich haben lange dafür gearbeitet, dass Kriegsverbrecher vor Gericht gebracht werden können.»