Der Auftritt sorgte in Israel und den USA bereits im Vorfeld für erhitzte Gemüter – und seit Wochen für grosse Schlagzeilen. Israels Premier Benjamin Netanjahu hielt heute vor dem US-Kongress in Washington eine Rede – als erster Politiker nach Winston Churchill steht er damit bereits zum dritten Mal vor den Abgeordneten des Senats und des Repräsentantenhauses.
Die «Rede seines Lebens», wie israelische Medien den Auftritt bezeichnen, hat der Israeli dem republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner zu verdanken. Er hatte Netanjahu eingeladen – ohne Absprache mit dem Weissen Haus. Ein Skandal. Aus Trotz war Obama denn auch nicht anwesend, als der Premier des verbündeten Landes im Kapitol vor die Abgeordneten trat. Auch zu einem späteren Treffen kam es nicht.
Was Netanjahu zu sagen hatte, war wie erwartet ein gezielter Affront gegen die Administration Obama. Zwei Wochen vor den Parlamentswahlen in Israel liess sich der 65-Jährige nicht nehmen, sich mit Provokationen öffentlichkeitswirksam zu inszenieren. Thema Nummer 1: Die Atom-Verhandlungen der USA mit dem Iran.
«Sehr schlechtes Abkommen»
Während sich die Verhandlungen am Genfersee einem Höhepunkt nähern, warf er dem Westen – allen voran selbstverständlich den Vereinigten Staaten – vor, vor einem historischen Fehler zu stehen. Eine Einigung werde den Iran nicht daran hindern, Atombomben zu bauen, sondern im Gegenteil garantieren, dass Teheran sie tatsächlich herstellen könnten.
«Es wurde gesagt, die einzige Alternative zu diesem schlechten Abkommen sei Krieg. Das ist einfach nicht wahr. Die Alternative zu diesem schlechten Abkommen ist ein viel besseres Abkommen», sagte er leichtfertig. Ansonsten verzichte man lieber ganz auf die Vereinbarung, als dieses «sehr schlechte Abkommen» zu schliessen.
Die Menge tobte, mit Standing Ovations wurde Netanjahu bejubelt. Beide Kammern des Kongresses werden seit den Midterms von einer republikanischen Mehrheit beherrscht, die statt einer Aufweichung der Iran-Sanktionen eine Verschärfung fordert. Laut «CNN» hatten über 50 Demokraten die Rede boykottiert und den Saal schon vor Beginn verlassen.
Für Obama «nichts Neues»
Diskutable Vorschläge zur Beilegung des Atom-Konflikts mit dem Iran konnte oder wollte Netanjahu nicht liefern, was vom Weissen Haus umgehend moniert wurde. Die Ansprache habe «nichts Neues» zur Beilegung des Atomstreits mit dem Iran beigetragen, sagte Obama. Der israelische Regierungschef habe «keine machbaren Alternativen» zu den Verhandlungen mit Teheran aufgezeigt. «Noch haben wir keinen Deal. Aber wenn wir erfolgreich sind, wird dies der bestmögliche Deal sein, um einen Iran mit Atomwaffen zu verhindern», sagte Obama. Netanjahu hingegen plädiert dafür, dass der Iran überhaupt kein Uran anreichern darf.
Auch Israels Oppositionsführer Izchak Herzog kritisierte, Netanjahus Auftritt sei in Bezug auf die Atomgespräche wirkungslos. «Die Rede hat keine Auswirkungen auf das Abkommen, sondern erweitert nur den Graben zwischen Israel und den Vereinigten Staaten», sagte er der Nachrichtenseite «ynet» zufolge.
Deutliche Worte fand zudem der Iran, Israels Erzfeind. «Es war langweilig», fasste eine Sprecherin des Aussenministeriums Netanjahus Auftritt zusammen. (lha/SDA)