50'000 Neuinfektionen an einem Tag: Deutschland zieht die Schraube an. Gesundheitsminister Jens Spahn (41) stellte am Freitag vor den Medien eine 2G-Pflicht plus in Aussicht. Gerade an Grossveranstaltungen sei die 3G-Pflicht nicht wirklich kontrolliert worden. Daher sollen nur noch geimpfte oder genesene Besucher zugelassen werden, die zusätzlich einen negativen Test vorweisen. «Das ist ein schwerer Schritt, aber ein Schritt, den wir gehen müssen», sagte Spahn.
Er kündigte ausserdem an, noch am Freitag eine Verordnung für die Wiedereinführung kostenloser Bürgertests zu unterzeichnen. Er gehe davon aus, dass dann ab Montag diese Tests wieder angeboten werden könnten.
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler (60), sprach von einer dramatischen Lage. «Es ist fünf nach zwölf», sagte Wieler. Er forderte, bei Grossveranstaltungen über eine Reduzierung der Besucherzahlen oder eine Absage zu sprechen. «Am besten wäre es, wenn man bestimmte Grossveranstaltungen absagen würde – ganz klar.»
Angst vor Lockdown
Von einem Lockdown sprachen die beiden nicht. Doch auch der steht über Weihnachten im Raum. Ein erneuter Lockdown sei nicht auszuschliessen «wenn wir so weitermachen wie bisher», sagte der Virologe Stephan Ludwig von der Universität Münster dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Ein Lockdown sei noch vermeidbar, bleibe aber im Bereich des Möglichen.
Friedemann Weber, Professor für Virologie der Justus-Liebig-Universität in Giessen, sagte focus.de: «Ohne deutlich verbesserte Impfquoten und mögliche Booster-Impfungen werden wir schon vor Weihnachten mit erhöhten Einschränkungen rechnen müssen.» Ein eventueller Lockdown soll «zunächst auf Ungeimpfte, die ein Impfangebot erhalten haben» beschränkt bleiben.
Der deutsche Virologe Christian Drosten (49) spricht deutliche Worte: «Wir müssen jetzt sofort etwas machen!»
Die Corona-Entwicklung in Deutschland gilt derzeit vor allem als «Pandemie der Ungeimpften». Die Inzidenzen sind dort am höchsten, wo die Impfquoten am niedrigsten sind, so im Bundesland Sachsen und im Osten Bayerns. Die Lage sei «sehr besorgniserregend», schreibt das Robert Koch-Institut (RKI).
Auch andere Länder vor Lockdown
Mehrere Monate war der Lockdown ein Schreckensgespenst, das nie wieder zurückkehren sollte. Nun wird er aber in mehreren Ländern Wirklichkeit.
Niederlande: Am Samstag soll ein eingeschränkter Shutdown von drei Wochen beginnen. Restaurants und Geschäfte müssten um 19 Uhr schliessen. Privat dürfte man nur noch vier Personen zu Hause einladen. Sportwettkämpfe sollen ohne Publikum stattfinden. Die Regierung will am Freitagabend informieren.
Österreich: Im Bundesland Oberösterreich soll ab nächster Woche bis Weihnachten ein Lockdown für Ungeimpfte gelten. Ungeimpfte dürften nur noch zur Arbeit oder aus andern wichtigen Gründen das Haus verlassen. Der Landeshauptmann will im Verlaufe des Freitags informieren. (gf)