Ein Weihnachten wie ein Osterfest. Vögel zwitschern, Gänseblüemli und Krokusse spriessen aus dem Boden. Keine Spur von Schnee und Eis in der Schweiz. Am Stephanstag kletterten die Temperaturen teilweise auf bis zu zwölf Grad. So warm war es an diesem Datum noch nie. Der diesjährige Dezember wird wohl als wärmster seit Messbeginn 1868 in die Annalen eingehen. Durchschnittlich war der letzte Monat des Jahres um durchschnittlich 3,5 Grad zu warm.
Auch den Russen brachte das Christkind einige Wärmerekorde mit. Meteorologen haben in Moskau zwischen dem 20. und dem 25. Dezember täglich die höchsten Temperaturen seit 135 Jahren Wetteraufzeichnung gemessen. Sogar das Eis auf den künstlich angelegten Schlittschuhbahnen ist weggeschmolzen.
Unwetter in England, Skandinavien und Südamerika
So viel Sonne gabs für die Briten nicht – im Gegenteil. Schwere Überschwemmungen und Dauerregen haben den Engländern die Weihnachtstage vermiest. Vor allem in Nordengland mussten Hunderte Menschen aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht werden, teilweise in Rettungsbooten. Die Armee war im Einsatz, um die Schäden einzudämmen, doch Betroffene berichteten britischen Medien von einem Mangel an Sandsäcken. Für viele Menschen war es die zweite oder sogar dritte Überschwemmung innerhalb weniger Wochen.
Auch in Dänemark stehen seit dem zweiten Weihnachtstag zahlreiche Wohnungen und Strassen unter Wasser. Schlamm und Erdrutsche versperrten Autobahnen und Bahnlinien.
Noch schlimmer hat es Südamerika getroffen. Bei heftigen Unwettern starben in Paraguay mindestens vier Menschen durch umstürzende Bäume. Zehntausende mussten ihre Häuser verlassen. Dutzende Familien waren eingeschlossen. Präsident Horacio Cartes verhängte den Notstand. Auch im Nordosten Argentiniens verschärfte ununterbrochener Regen die Lage. In der Stadt Corrientes erlitt ein 13-jähriger Junge örtlichen Medienberichten zufolge einen tödlichen Stromschlag. Bürgermeister Enrique Crest sprach von den schlimmsten Überschwemmungen seit einem halben Jahrhundert.
Auch im bolivianischen Amazonasgebiet im nahe der Grenze zu Brasilien gelegenen Ort Guayaramerín kamen nach heftigen Regenfällen und Überschwemmungen zwei Menschen ums Leben. Und Uruguay hatte bereits am Mittwoch über drei Regionen im Norden den Notstand verhängt.
Tornados in den USA, Buschbrände in Australien
In den Staaten wüten derweil Killer-Tornados. Seit Mittwoch sind in sieben Bundesstaaten hauptsächlich im Süden des Landes 41 Menschen durch schwere Stürme und Überschwemmungen ums Leben gekommen. Darunter ist auch ein 7-jähriger Bub, der in einem Auto durch die Luft gewirbelt wurde.
An der südlichen Westküste kämpften währenddessen Hunderte Feuerwehrleute gegen einen Wald- und Buschbrand.
Auch in Australien zerstörten Buschbrände über Weihnachten mehr als 100 Häuser. Weite Landstriche wurden verkohlt. Blitze hatten die Feuer im derzeit sehr heissen Südaustralien entfacht. Es werde noch lange dauern, bis die Gegend ausreichend abgesichert sei, um den Einwohnern eine dauerhafte Rückkehr in ihre Häuser zu gewähren, wurde Barry Jones vom Umweltministerium des Bundesstaates Victoria zitiert.
Dicke Luft in Italien und China
In Rom und Mailand herrscht Smog-Alarm. Weil es seit Tagen nicht mehr regnete, spitzte sich die Smoglage in Italiens Grossstädten dramatisch zu. Nach Mailand erwägte deshalb auch Rom ein Fahrverbot auf den Strassen. In Mailand sollen zwischen heute und übermorgen von 10 bis 16 Uhr keine privaten Fahrzeuge unterwegs sein.
In Peking und anderen Städten Nordchinas macht der starke Smog den Menschen das Atmen fast unmöglich. Vergangene Woche haben zehn Städte die höchste Alarmstufe ausgerufen. Mehr als 100 Millionen Menschen im Osten und im Zentrum des Landes wurden aufgerufen, zu Hause zu bleiben.
Die Zeichen stehen auf Sturm
Was steckt hinter dem weltweiten Extrem-Wetter? El Niño hat laut Experten sicher etwas damit zu tun. Das Wetterphänomen habe «die rätselhafte Macht, das Wettersystem des Planeten in Aufruhr zu versetzen», heisst es etwa auf «Spiegel.de». Der derzeitige El Niño, auch «Godzilla-El-Niño» genannt könnte einer der stärksten seit der Entdeckung des Phänomens im Jahre 1950 sein und noch werden.
Er ist aber nicht «der einzige Schuldige». Wie Frédéric Glassey von MeteoNews im «Le Matin» sagt, hänge die momentane Wettersituation auch mit «meteorologischen Zufällen» zusammen. «Zufälle» deshalb, weil die Phänomene nicht wiederkehrend seien.
Die Wettermodelle stehen jedenfalls weiterhin auf Sturm. Sie deuten auf einen Super-El-Niño hin, der sich erst im späten Frühjahr oder im Sommer wieder abschwächen wird. (lex)