Zum Jahrestag des gescheiterten Militärputsches in der Türkei, bei dem über 200 Menschen starben und mehr als 2000 verletzt wurden, bot der neue türkische Botschafter in Bern, Ilhan Saygili, die Schweizer Medien auf. Zuerst zeigte er einen Propagandafilm, der die Ereignisse in der Nacht vom 15. Juli 2016 zusammenfasst.
Zur Erinnerung: Kurz nach dem Putsch forderte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (63) die Todesstrafe für die Verschwörer. Für Todesurteile, welche die Türkei bis 2004 kannte, müsste aber erst die rechtliche Grundlage wieder eingeführt werden.
Botschafter: Todesstrafe kein Thema
Also fragen die Journalisten den Herrn Botschafter, was denn mit der Todesstrafe sei, die immer noch im Raum steht? «Davon redet heute niemand mehr», sagte Saygili am Freitag. Das sei eine erste Reaktion auf die vielen Toten gewesen, und Erdogan habe nur gesagt, dass er dem Parlament nicht im Weg stehen werde, wenn dieses die Wiedereinführung der Todesstrafe beschliessen sollte. «Doch bis heute gab es keinen entsprechenden Antrag.»
Faktisch stimmt die Aussage von Botschafter Saygili. Sie stellt aber die Situation in der Türkei völlig falsch dar. Dass es im Grunde nur billige Propaganda des Botschafters im Dienste Erdogans war, das zeigte sich just am Samstag. An der Kundgebung zum Jahrestag des Putsches, die auf der Bosporusbrücke in Istanbul stattfand, erklärte der türkische Präsident vor Hunderttausenden Anhängern, er wolle erbarmungslos gegen die Verantwortlichen des Putschversuchs vor einem Jahr vorgehen.
«Verrätern den Kopf abreissen»
So schrie der Quasi-Alleinherrscher bei seiner Rede auf der Brücke, die zu Ehren der Opfer inzwischen in «Brücke der Märtyrer des 15. Juli» umbenannt wurde, dem entfesselten Publikum zu: «Wir werden diesen Verrätern den Kopf abreissen!»
Dann erneuerte er sein Plädoyer für eine Wiedereinführung der Todesstrafe. Er warte auf eine Entscheidung des Parlaments, sagte Erdogan. «Wenn die Vorlage aus dem Parlament zu mir kommt, werde ich sie unterzeichnen.» Kein Wunder, skandierten viele der Zuhörer Parolen für die Todesstrafe. Manche trugen Schlingen mit sich, um ihr Anliegen zu illustrieren.
Auch vor dem Parlament in Ankara forderten Anhänger Erdogans in Sprechchören die Todesstrafe, für deren Wiedereinführung eine Verfassungsänderung notwendig wäre, denn die Abschaffung der Todesstrafe in der Türkei wurde 2004 in Artikel 38 der Verfassung verankert – vor Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen im Jahr darauf.
Erdogan foutiert sich um die EU
Für Erdogan ist klar: «Wenn die Vorlage ins Parlament kommt – und ich glaube daran, dass es vom Parlament verabschiedet wird – werde ich das ohne Zögern bewilligen.» Ihm sei es egal, was «Hans und George» dazu sagten. Er achte lieber darauf, «was Ahmet, Mehmet, Hasan, Hüseyin, Ayse, Fatma und Hatice sagen».
Damit spielt Erdogan auf EU-Staaten wie Deutschland und Grossbritannien an. Die EU hat deutlich gemacht, dass eine Wiedereinführung der Todesstrafe das Ende des Beitrittsprozesses bedeuten würde. Genau das bekräftigte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker heute in einem Beitrag in der deutschen Zeitung «Bild am Sonntag». (hlm)
Die Türkei gedenkt mit mehreren Anlässen des blutigen Putschversuchs. Bereits am Dienstag besuchten Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim einen Friedhof im Istanbuler Stadtteil Edirnekapi. Hier liegen 15 Todesopfer des gescheiterten Putsches begraben. Der Höhepunkt der Feierlichkeiten ist eine Ansprache Erdogans im Parlament in Ankara, in der Nacht zum Sonntag. Sie soll um genau 2.32 Uhr Ortszeit beginnen – zu dem Zeitpunkt, als Putschisten vor einem Jahr das Parlament bombardierten. In der gleichen Nacht gibt es bis spät sogenannte Demokratiewachen. Gleichzeitig sollen islamische Begräbnisgebete von den Minaretten der rund 90'000 Moscheen im Land zu hören sein – so wie in der Nacht, als sich die Muezzine gegen die Umstürzler stellten. Nicht eingeladen zu Erdogans Ansprache sind die grössten Oppositionsparteien der Türkei, CHP und HDP.
Die Türkei gedenkt mit mehreren Anlässen des blutigen Putschversuchs. Bereits am Dienstag besuchten Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim einen Friedhof im Istanbuler Stadtteil Edirnekapi. Hier liegen 15 Todesopfer des gescheiterten Putsches begraben. Der Höhepunkt der Feierlichkeiten ist eine Ansprache Erdogans im Parlament in Ankara, in der Nacht zum Sonntag. Sie soll um genau 2.32 Uhr Ortszeit beginnen – zu dem Zeitpunkt, als Putschisten vor einem Jahr das Parlament bombardierten. In der gleichen Nacht gibt es bis spät sogenannte Demokratiewachen. Gleichzeitig sollen islamische Begräbnisgebete von den Minaretten der rund 90'000 Moscheen im Land zu hören sein – so wie in der Nacht, als sich die Muezzine gegen die Umstürzler stellten. Nicht eingeladen zu Erdogans Ansprache sind die grössten Oppositionsparteien der Türkei, CHP und HDP.