Es sind bemerkenswerte Szenen, die sich in den vergangenen Wochen auf den Demos in Wien abspielen. Zwischen Gewerkschaften, Studenten und Familienvätern fällt eine Gruppe besonders auf: Ältere Frauen über 60 mit bunten Mützen, die laut singen und ihre Protestschilder schwenken.
Die «Omas gegen Rechts» marschieren auf den Wiener Demos mit
Unter den selbst gestrickten «Pussyhats» am Wiener Heldenplatz: runzlige, aber entschlossene Mienen. «Omas, Omas, uns braucht das ganze Land», singen sie – und werden von ihren jüngeren Mitdemonstranten gefeiert.
«Omas gegen rechts» nennt sich die Bewegung der rüstigen Rentnerinnen. Gegründet haben sie die pensionierte evangelische Pfarrerin, die Psychotherapeutin Monika Salzer (70) und die Journalistin Susanne Scholl (69). Mitte November in Wien. Sie protestieren gegen den österreichischen Kanzler Kurz und die Koalition seiner konservativen ÖVP mit der rechten FPÖ.
Über Facebook suchten Salzer und Scholl Mitstreiter, vernetzten sich und texteten eine Hymne für den Oma-Protest. Seither sind sie beim Anti-rechts-Protest in der österreichischen Bundeshauptstadt immer dabei.
Gründerin Monika Salzer protestiert gegen den Rechtsruck
Den Rechtsruck in der Gesellschaft wolle ihre Generation, die Österreich und Europa nach dem Krieg mit aufgebaut habe, nicht hinnehmen, sagt Salzer in einem Interview mit dem Jugendmagazin «Fluter». Momentan werde in der Öffentlichkeit viel Hass gepredigt und gegen alles Fremde gehetzt. «Auf dem Spiel steht vieles, was in unserer Jugend extrem wertvoll war, zum Beispiel der Glaube an Freiheit, Demokratie und den Rechtsstaat.»
Die Bewegung wächst landesweit, mehr als 100 Rentnerinnen und Rentner marschieren in Wien regelmässig mit. Auch in anderen Städten und Ländern gibt es bereits Ableger.
Rechte hetzen gegen die Protest-Omas
Während die Öffentlichkeit das Engagement der Protest-Omas feiert, hetzen Rechte gegen Salzer und ihre Mitstreiter. «Wenn man länger lebt, als man nützlich ist und vor lauter Feminismus nie stricken lernte», twitterte Edwin Hintsteiner, Chef der Salzburger Identitären.
Eine Twitter-Nutzerin hielt dagegen: «Meine Mutter ist #Omagegenrechts, und ich bin stolz auf sie: Sie verfügt nicht nur über Menschlichkeit, Empathie und einen sehr scharfen Intellekt, sie kann auch noch Bäume fällen, Häuser bauen, Dinge reparieren, backen, stricken und nähen.» Das gelte auch für ihren Vater.
Denn auch die sind bei den «Omas gegen rechts» willkommen. Wie Monika Salzer im «Fluter»-Interview erklärt, seien Männer ganz selbstverständlich bei ihnen integriert. «Selbstbewusste Opas pochen nicht darauf, Opa genannt zu werden, und marschieren bei uns mit.» (kin)