Notre-Dame stand noch in Flammen, als die ersten Spendenzusagen für den Wiederaufbau eintrudelten. In fünf Jahren will Emmanuel Macron das Mammut-Projekt schaffen. Die 800 Jahre alte Kathedrale, von der praktisch nur noch die Grundstruktur steht, soll «schöner als zuvor» werden, versprach Frankreichs Staatspräsident.
Die Regierung hat extra eine Website eingerichtet, um Spenden dafür zu sammeln. Nicht mal 48 Stunden nach dem Brand war die Milliardenmarke geknackt. Die drei reichsten Grossfamilien Frankreichs haben Millionen zugesagt – unter den Spendern sind bekannte Namen wie Pinault (Gucci, Yves-Saint-Laurent) oder Arnault (Dior, Louis Vuitton).
Warum ist die Spendenbereitschaft so hoch?
Passieren Katastrophen, spenden Menschen oft aus Altruismus – sie geben selbst etwas auf, um anderen zu helfen. Nach dem Brand in Notre-Dame greife aber wohl eher ein anderes Motiv, sagt der Verhaltensökonom Björn Bartling von der Uni Zürich. «Dass man sich selbst gut fühlt, scheint hier eine grosse Rolle zu spielen.»
Weil Notre-Dame ein Nationalsymbol sei, können sich Spender als Patrioten präsentieren. Beim Aufbau ist der Sinn der Spende direkt sichtbar – und weil die Kathedrale über Generationen stehen wird, können sich selbst Kleinspender auf die Fahne schreiben: Ich war daran beteiligt.
«Und dann gibt es noch ein weiteres Motiv bei Grossspenden: Man verspricht sich in Zukunft etwas davon», erklärt Verhaltensforscher Bartling. Zum einen nützt es dem Image der Spenderfamilien und -konzernen, zum anderen bringt es auch einen steuerlichen Vorteil. Der Mechanismus ist ein bewusst gesetzter Anreiz des Staates, etwas zu geben – er reduziert aber eben auch immer die Steuerschuld.
So relativiert sich auch die jeweilige Spendensumme: «Spende ich 1000 Franken und der Grenzsteuersatz beträgt beispielsweise 30 Prozent, sind 300 Franken der Summe eigentlich Steuern – und die Spende beträgt eigentlich nur 700 Franken.» Der Steuerzahler «spendet» so 300 Franken – ohne gefragt worden zu sein.
Die Spenden machen für Notre-Dame keinen Unterschied
Immer noch ein guter Deal, könnte man nun einwenden. «Die Kathedrale wird aber nicht schöner und grösser, wenn mehr Spenden eingehen», urteilt der Verhaltensökonom Björn Bartling. Denn: «Sonst hätte es halt der Staat komplett bezahlt.»
Macron hatte schliesslich unabhängig von den Spenden versprochen, die Kathedrale wieder aufbauen zu lassen. Deren Unterhalt liegt in der Verantwortung des französischen Staates – und der kann sich den Aufbau problemlos leisten.
Die Grossspender bezuschussen also den Staat und entlasten den französischen Steuerzahler. Das ist nett – macht aber beim Wiederaufbau selbst keinen Unterschied.
Alle aktuellen Informationen rund um den Brand im Notre-Dame gibt es im Ticker.