Das höchste Staatsamt in Tunesien wurde erstmals seit der Unabhängigkeit 1956 in freien Wahlen vergeben.
Der 88-jährige langjährige Regierungspolitiker Essebsi hatte im November schon in der ersten Runde die meisten Stimmen errungen, musste aber gegen Übergangsstaatschef Marzouki in die Stichwahl.
Der 69-jährige Menschenrechtler Marzouki hatte auch auf Stimmen der Islamisten gehofft. Sein Lager ging am Sonntagabend noch von einem knappen Ergebnis aus.
Die Präsidentenwahl schliesst den nach der Jasmin-Revolution vor vier Jahren eingeleiteten Weg Tunesiens in die Demokratie ab. Die Wahlkommission will erste Teilergebnisse erst am Montagabend verkünden. Mehr als fünf Millionen Wahlberechtigte hatten sich für die Abstimmung registriert.
Überschattet worden war der Wahltag von einem bewaffneten Übergriff auf ein Wahllokal in der Provinz Kairouan südlich von Tunis. Dabei wurde nach Angaben des Verteidigungsministeriums in der Nacht zum Sonntag ein Angreifer getötet und ein Soldat verletzt.
Etwa 100'000 Soldaten und Polizisten waren am Wahltag im Einsatz. 124 Wahllokale in Gebieten nahe der algerischen Grenze, die als unsicher gelten, öffneten später und schlossen früher.
In Tunesien begann vor vier Jahren der so genannte Arabische Frühling. Am 17. Dezember 2010 verbrannte sich in Sidi Bouzid ein Gemüsehändler aus Verzweiflung über Behördenwillkür selbst. Sein Tod führte zu den Massenprotesten der so genannten Jasmin-Revolution. Im Gegensatz zu anderen arabischen Umbruchsländern hat Tunesien bislang den Weg zur Demokratie - trotz Krisen - mit einigem Erfolg gemeistert.