Türkei
Davutoglu leitet nach Machtkampf Wechsel an Regierungsspitze ein

Ankara – Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu gibt im Machtkampf mit Staatschef Recep Tayyip Erdogan auf. Einen Tag nach einem Treffen der beiden kündigte Davutoglu seinen Rückzug vom Parteivorsitz der regierenden AKP und damit auch vom Amt des Regierungschefs an.
Publiziert: 05.05.2016 um 15:52 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 03:05 Uhr
Türkischer Ministerpräsident Davutoglu kündigt Rückzug an
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Wegen Erdogan?Türkischer Ministerpräsident Davutoglu kündigt Rückzug an

Auf einem Sonderparteitag am 22. Mai werde er nicht erneut als Parteichef antreten, sagte Davutoglu am Donnerstag in Ankara.«Ich denke nicht, dass ich unter den derzeitigen Umständen beim kommenden Parteitag als Kandidat antreten werde», erklärte Davutoglu nach einer Sondersitzung der Parteiführung.

Gemäss den Statuten der islamisch-konservativen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) muss der 57-Jährige nach einem Rücktritt als Parteichef auch seinen Posten als Ministerpräsident räumen.

Davutoglu hatte vor zwei Jahren das Amt des Ministerpräsidenten und den Vorsitz der AKP von seinem Vorgänger Recep Tayyip Erdogan übernommen, als dieser ins Präsidentenamt wechselte. Erdogan ist aber nach wie vor der bestimmende Mann in Regierung und Partei.

Davutoglu wies Berichte über ein Zerwürfnis zwischen ihm und Erdogan zurück. Er habe sich niemals negativ über den Staatschef geäussert und ihm werde «auch in Zukunft kein schlechtes Wort über die Lippen kommen», sagte der Regierungschef.

In seiner rund 40-minütigen Erklärung betonte er vielmehr seine enge Freundschaft zu Erdogan: «Seine Familie ist meine Familie.» Er werde «bis zum letzten Atemzug» loyal sein zu seinem Weggefährten. «Ich erhebe keine Vorwürfe, empfinde keine Wut und hege keinen Groll», sagte Davutoglu. Türkische Medien hatten zuvor über einen Machtkampf zwischen den beiden Politikern berichtet.

Als offiziellen Grund für einen Rückzug verwies Davutoglu auf den mangelnden Rückhalt innerhalb der AKP. Anders als bei den vorherigen Parteitagen habe er nicht mehr die nötige Unterstützung. Der Entschluss, den Parteivorsitz abzugeben, sei eine «Notwendigkeit».

Die emotionale Rede am Donnerstag markiert das Ende des politischen Aufstiegs des früheren Politikprofessors, der seit 2002 als aussenpolitischer Berater für Erdogan arbeitete und sieben Jahre später zum Aussenminister ernannt wurde. Ganz zurückziehen aus der Politik will sich Davutoglu aber nicht. Sein Mandat als Abgeordneter im türkischen Parlament will er behalten.

Insbesondere in den vergangenen Monaten wuchsen hinter den Kulissen die Spannungen, weil Davutoglu sich zunehmend um die Schärfung des eigenen Profils bemühte. Erdogan-Anhänger verdächtigen Davutoglu, die Macht des Präsidenten untergraben zu wollen.

Die AKP-Führung hatte vergangene Woche gegen den Willen Davutoglus die Befugnisse des Vorsitzenden eingeschränkt. Ein letztes Krisengespräch zwischen Davutoglu und Erdogan am Mittwoch blieb offenkundig ohne Ergebnis.

Die beiden Spitzenpolitiker lagen nach Medienberichten unter anderem wegen einer von Erdogan angestrebten Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems im Clinch. Die Änderung würde Erdogan als Staatsoberhaupt mehr Macht verleihen.

Als mögliche Nachfolger Davutoglus werden nach einem Bericht der Zeitung «Cumhuriyet» Verkehrsminister Binali Yildirim und Erdogans Schwiegersohn, Energieminister Berat Albayrak, gehandelt. Beide gelten als absolut loyal zu Erdogan.

Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu befürchtet nach einem Wechsel im Amt des Regierungschefs eine Ausweitung der Macht Erdogans. Davutoglus Rücktritt werde zu einer «Bekräftigung der Diktatur in der Türkei» führen, sagte Kilicdaroglu der Deutschen Presse-Agentur in Ankara. «Erdogan möchte einen Ministerpräsidenten, der ihm zu hundert Prozent gehorcht.»

Eine Zustimmung seiner Partei zu dem von Erdogan und der AKP angestrebten Präsidialsystem schloss Kilicdaroglu kategorisch aus. «Wir akzeptieren kein Präsidialsystem, unter keinen Bedingungen.» Erdogan sei für ihn schon jetzt «ein Diktator».

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